Mordprozess nach tödlicher Vergewaltigung in Wien: Zwei Mal lebenslang

Mordprozess nach tödlicher Vergewaltigung in Wien: Zwei Mal lebenslang
Das Martyrium, das die 20-jährige Samantha in Wien durchmachte, lässt sprachlos zurück. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Es ist ein Fall, bei dem sogar Gutachter, die regelmäßig mit Gewalttaten zu tun haben, nach Worten ringen. Der Tod der 20-jährigen Samantha in einer Wohnung in Wien-Floridsdorf sprengt die Vorstellungskraft. Die junge Frau war am 19. Juni des Vorjahres zu Tode vergewaltigt worden. Ein Sachverständiger nimmt das Wort „Folter“ in den Mund. Ein anderer wendet sich an die Geschworenen: „Schauen Sie sich unter Supervision des vorsitzenden Richters die Fotos an, um nachzuempfinden, was hier tatsächlich vorgefallen ist. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“

Angeklagt sind am Donnerstag zwei junge Wiener. Fabian W., 25, und Manuel H., 30 Jahre alt. Die Dynamik in ihrer  „Freundschaft“ ist ein zentraler Punkt in dem Mordprozess  im Landesgericht für Strafsachen in Wien. Am frühen Abend wurde schließlich das Urteil verkündet: Zwei Mal lebenslange Haft. Zudem zwei Mal Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Nicht rechtskräftig.

 

Beide stammen aus zerrütteten Familien. „Gescheiterte Biografien“, nennt sie Psychiater Peter Hofmann. Der eine ist gesundheitlich angeschlagen, kann schlecht gehen. Der andere wollte auf der Bodybuilding-Bühne glänzen, nahm Anabolika und weist vier Vorstrafen auf. Weil er obdachlos war, zog er beim Jüngeren ein. Die beiden Männer teilten sich eine 36-Quadratmeter-Wohnung.

"Meine Oide!"

Fabian W. ist „keine Führerfigur“, wie es Hofmann beschreibt. „Er folgt.“ Er war es auch, mit dem Samantha eine „Freundschaft plus“ pflegte. Doch als die junge Frau in dieser Nacht in die Wohnung kam, war es der Ältere, der die Frau erst vergewaltigt haben soll. „Das ist meine Oide!“, schrie der Jüngere.

Die Wut beider Männer bekam allerdings die Frau ab. Sie schrie in Todesangst um Hilfe. Nachbarn hörten sie: „Hörts auf!“ Keiner half. Ein Nachbar, der als Security arbeitete und schlafen wollte, brüllte aus dem offenen Fenster: „Seids endlich leise!“

 

Tonbandaufnahme

Der Richter lässt Audio-Aufnahmen von der Nacht vorspielen. Zum einen sind es  Sprachnachrichten, die der 25-Jährige an eine Freundin schickte. Aufgeregt und laut erklärt er, keine Zeit zu haben – in der ganzen Wohnung sei Blut. Er schickte der Freundin auch Bilder. „Zum Beweis“, wie Fabian W. sagt.

Und es sind zwei Anrufe bei der Rettung. Der erste um 4.10 Uhr in der Früh.  „Ich habe eine Frage“, sagt Fabian W.: „Ich habe einen Splitter im Fuß.“ Die Rettung kam wenig später, verarztete ihn im Stiegenhaus. „Und Sie kommen nicht auf die Idee, zu erwähnen, dass in Ihrer Wohnung eine stark blutende Frau liegt?“, fragt der Richter.

Erst gegen 9 Uhr Früh rief Fabian W. wegen ihr noch einmal bei der Rettung an.  „Nein, nein“, erklärte er. „Verletzt ist sie nicht. Aber sie blutet.“ Ob sie atmet? „Sollte sie.“ Unter Anleitung des Leitstellen-Mitarbeiters beginnt er zögerlich mit der Herzdruckmassage. Samantha war zu diesem Zeitpunkt längst tot.

„Es war kein schöner Anblick. Das ist ein katastrophaler Fall“, sagt Gerichtsmediziner Klupp.  „Das ist schwer in Worte zu fassen“, meint Gynäkologin Sigrid Schmidl-Amann. „Es war eine sexuell sadistische Tat“, beschreibt Psychiater Hofmann. Und: „Es besteht die Gefahr, dass es künftig wieder zu solchen Taten kommt.“

Erinnerungslücken

Die beiden Angeklagten schauen – wie meistens – zu Boden.  Der Bodybuilder (er ist geständig, könne sich aber an viele Details nicht erinnern) versteckt sein Gesicht hinter einer grünen Mappe. Der Jüngere – er will mit all dem nichts zu tun gehabt haben und eingeschlafen sein – hat diesmal gleich zwei Rosenkränze mit, die er straff um die Finger gewickelt hat. Er blättert wild in seinen Unterlagen, kritzelt Fragen auf ein Blatt, die Anwältin Astrid Wagner für ihn stellen soll.

 

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