Erst vor Kurzem hat SPÖ-Chef Michael Ludwig bei der Präsentation seiner rot-pinken Koalition ganz andere Signale gesendet: Erstmals in der Geschichte Wiens ist eine Stadtregierung mehrheitlich weiblich besetzt – und zwar zu 62 Prozent. Fünf Frauen stehen drei Männern gegenüber. Für Ludwig ein klares Zeichen dafür, dass „Wien eine Stadt der Frauen ist“.
Wie aber ist es wirklich um das Geschlechterverhältnis in der Stadtpolitik bestellt? Der KURIER hat nachgerechnet.
Insgesamt stehen im Wiener Gemeinderat 59 Männern nur 41 Frauen gegenüber. Eine Frauenquote von 41 Prozent also. Im Vergleich liegt Wien damit dennoch im Schnitt. Im Nationalrat lag die Frauenquote zuletzt nur bei 36,6 Prozent, wie eine Berechnung der APA im März ergab. Auch die anderen acht Landesparlamente sind männlich dominiert. Am höchsten ist der Frauenanteil mit rund 44 Prozent noch in Vorarlberg, an niedrigsten ist er in Kärnten mit lediglich 17 Prozent.
Frauenanteil sinkt
Und: Nur 31 von insgesamt 2.115 österreichischen Gemeinden – inklusive der Wiener Bezirke – haben einen Frauenanteil von mehr als 50 Prozent im Gemeinderat (oder eben der Bezirksvertretung). Das die aktuellen Zahlen aus dem Städtebund-AK-Gleichstellungsindex. Was durchaus nachdenklich stimmt: Insgesamt sinkt der Frauenanteil in der Politik eher, als er steigt.
Dass der Wiener Gemeinderat die weibliche Mehrheit nicht schafft, liegt vor allem an der FPÖ – aber auch an ÖVP und SPÖ. Neben der FPÖ (mit besagten vier Prozent) kommt die Wiener ÖVP auf 40 Prozent, bei der SPÖ sind es – zugegeben: knappe – 49 Prozent.
Bei den anderen beiden Parteien im Gemeinderat sind die Frauen – ebenso knapp – in der Mehrheit. Bei den Grünen steht es in Mandaten 8 zu 7, bei den Neos 6 zu 4. Tendenz im Vergleich zur Vorperiode bei beiden Parteien: leicht steigend. Gleiches gilt für die SPÖ, bei der 21 Frauen derzeit 22 Männern gegenüberstehen; davor waren es 21 zu 25.
In anderen Funktionen in der Stadtpolitik zeigt sich ein ähnliches Bild. Unter den fünf Klubobleuten im Gemeinderat befindet sich nur eine Frau, nämlich Neos-Klubchefin Selma Arapovic. ÖVP und Grüne besetzten den Posten zuletzt neu, je mit einem Mann: Harald Zierfuß ist neuer Klubchef bei den Türkisen, Georg Prack bei den Grünen.
Gemeinderatsvorsitzender ist erneut Thomas Reindl, Landtagspräsident ist (neu) Christian Meidlinger – also ebenfalls zwei Männer, beide von der SPÖ. Aufgestiegen ist hier nur eine Frau: Marina Hanke (Chefin der Wiener SPÖ-Frauen) ist neu im Amt der Dritten Gemeinderatsvorsitzenden. Die Grüne Jennifer Kickert blieb als Vierte Vorsitzende im Amt. Das Landtagspräsidium ist überhaupt rein männlich besetzt.
Pattsituation
Etwas mehr Frauen findet man bei den nicht-amtsführenden Stadträten. Hier stehen drei Frauen drei Männern gegenüber. Sogar die FPÖ hat einen ihrer drei Posten an eine Frau vergeben, nämlich an Ulrike Nittmann. Bei der ÖVP ging der einzige Posten an Kasia Greco. Dass der Job weitgehend bedeutungslos ist, schmälert freilich die Freude.
In den Reihen der Bezirksvorsteher – lange Zeit eine fast rein männliche Spielwiese – sind die Frauen im Vormarsch: Hier stehen 16 Männer nunmehr sieben Frauen gegenüber. Die längstdienende ist die Grüne Silvia Nossek, die seit 2015 in Währing im Amt ist. Neu ist die ÖVP-Bezirkschefin Johanna Sperker, die sich – wie berichtet – nach internen Querelen in Hietzing gegen Amtsvorgänger Nikolaus Ebert durchsetzen konnte. Übrigens: Die allererste Bezirksvorsteherin der Stadtgeschichte kam auch von der ÖVP. Marie Franc amtierte von 1959 bis 1964 in der Josefstadt.
Ein statistisches Schmankerl zum Abschluss: Die Akademikerquote (gezählt wurden alle in der offiziellen Liste der Mandatare vermerkten akademischen Abschlüsse; Anm.) liegt bei den Neos mit 90 Prozent am höchsten. Hier führt nur Thomas Weber keinen Titel. Schlusslicht ist die FPÖ – mit 32 Prozent.
Angela Schütz ist als einzige blaue Frau auch Akademikerin. Ihre Diplomarbeit handelt von den Auswirkungen der Corona-Krise auf den Landtag.
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