Die Aktion mutet auf den ersten Blick wie eine schräge Anekdote an. Sie ist aber viel mehr. Es geht es um einen erbitterten Machtkampf in der nicht unbedeutenden Bezirkspartei. Und es geht um Stimmen.
Die Simmeringer SPÖ ist seit Jahren zerstritten. Bezirksräte wurden eliminiert, die frühere Bezirkschefin Renate Angerer drängte man zum Rücktritt. Zuletzt waren die Konflikte nur deshalb in den Hintergrund gerückt, weil die Genossen ein gemeinsames Projekt hatten, heißt es aus Parteikreisen.
Das Ziel war, Michael Ludwig auf den Bürgermeistersessel zu hieven. Die Simmeringer SPÖ und ihr Chef, der Nationalratsabgeordnete Harald Troch, hatten Ludwig im Rennen gegen Andreas Schieder massiv unterstützt. Nun ist Ludwig im Amt – und es beginnt wieder zu brodeln.
Die aktuelle Debatte ums Rauchverbot kann als Vorbote eines Kampfs um die Führung der Bezirkspartei gewertet werden. Troch wurde heuer mit nur 53 Prozent in den Bezirksparteivorstand gewählt. Seine Konkurrenten bringen sich nun in Stellung. Ihre Aktion bringt ihnen Schlagzeilen und Aufmerksamkeit. Darauf können sie künftig verweisen.
Die Simmeringer Rebellion hat aber noch zwei weitere Ursachen. Beide haben mit Wahlen zu tun.
Tschocherl-Wirte als Zielgruppe
Allerdings nicht, wie man vermuten könnte, mit der Nationalratswahl. Es war die Bundes-SPÖ, die nach dem Fall der türkis-blauen Regierung (gemeinsam mit der ÖVP) das generelle Rauchverbot durchsetzte.
Schon eher könnten die Roten bei der Wirtschaftskammerwahl 2020 damit reüssieren – zumindest in Simmering, dem Bezirk der Tschocherl. Viele Inhaber dieser kleinen Cafés fürchten nun, dass das Rauchverbot ihre Gäste vertreibt. Dieser Gruppe wollen die SPÖ-Rebellen ansprechen. Nach dem Motto: „Wir in Simmering sind auf eurer Seite, der Bund wollte das Verbot.“
Dafür spricht, dass die Rauchverbot-Gegner – darunter „Fiakerbaron“ Wolfgang Fasching – allesamt dem lokalen Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband angehören.
Die Rückeroberung Simmerings
Das stärkste Motiv dürfte aber die Wiener Bezirksvertretungs- und Gemeinderatswahl sein. Sie findet spätestens im Herbst 2020 statt. Für die Simmeringer SPÖ geht es darum, die ehemalige Arbeiter-Hochburg zurückzuholen.
In Simmering regiert nämlich – relativ erfolgreich – der freiheitliche Paul Stadler. Er gewann die Wahl im Jahr 2015 mit rund 42 Prozent der Stimmen knapp vor der SPÖ. Das lag nicht nur am generellen Rückenwind für die FPÖ. Sondern an Themen wie Sicherheit und Migration, die die Blauen in dem Problembezirk für sich zu nutzen wussten. Und an der Schwäche der zerstrittenen SPÖ.
Die Rebellen wollen den blauen Bezirkschef wieder loswerden und setzen dabei ausgerechnet auf ein klassisches FPÖ-Thema: das Rauchverbot. Dass damit Stimmen zu holen sein könnten, zeigt das „Don’t Smoke“-Volksbegehren. Der Anteil der Unterstützer war in Simmering mit zehn Prozent so gering wie in keinem anderen Bezirk.
Ludwig: "Keine autoritäre Partei"
Erstmals hat sich jetzt auch Michael Ludwig zur Debatte geäußert. Zwischen die Fronten geraten will er offenbar nicht: „Wir sind keine autoritäre Partei. Daher gibt es auch verschiedene Meinungen“, sagt er zum KURIER.
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