Nach Vorwürfen: Proteste vor Konzert von Till Lindemann

Mit Kreidemalereien am Urban-Loritz-Platz  wird gegen das Konzert von Till Lindemann am Samstagabend protestiert.
Am Samstag tritt der Rammstein-Sänger solo in der Stadthalle auf. Das freut nicht alle.

Till Lindemann kehrt nach Wien zurück. Zwei Jahre, nachdem die ersten Vorwürfe – sie reichen von mutmaßlichen sexuellen Übergriffen bis hin zu mutmaßlichen Vergewaltigungen – gegen den Rammstein-Frontmann laut wurden, wird er wieder in der Stadthalle auf der Bühne stehen. Willkommen geheißen wird er dabei jedoch nicht von allen. Wie schon bei den Rammstein-Konzerten vor zwei Jahren im Stadion regt sich Protest – von mehreren Seiten.

Kreidemalereien

Die Initiative „#aufstehn“ etwa fordert von der Stadthalle die Absage des Konzerts. Insgesamt 6.300 Unterschriften konnten für dieses Anliegen gesammelt werden. Präsentiert wurde diese Bilanz am Donnerstag am – bunt bemalten – Urban-Loritz-Platz.

Der Boden vor dem U-Bahn-Ausgang ist mit Kreidemalereien übersät, die Konzertbesucher am Samstagabend begrüßen sollen. „Till Lindemann raus aus Wien“ oder „Betroffenen glauben“ ist dort zu lesen. Entstanden sind die Werke in Zusammenarbeit mit dem Verein „Catcalls of Vienna“, der auf sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum aufmerksam macht.

Aber auch juristische Unterstützung hat sich die Initiative „#aufstehn“ geholt. Rechtsanwältin Yara Hofbauer sprach bei der Gelegenheit über die toten Winkel des juristischen Systems. Das Ermittlungsverfahren gegen Lindemann wurde nämlich eingestellt. Medienberichten zufolge wurden keine strafrechtlich relevanten Anhaltspunkte gefunden, auch weil sich Betroffene nicht bei der Staatsanwaltschaft gemeldet haben. Hofbauer dazu: „Und hier müssen wir uns fragen, wieso sich die Frauen nicht an die Staatsanwaltschaft gemeldet haben, aber auch, ob das Strafrecht wirklich der einzige Maßstab ist, um zu bewerten, wie das Verhalten von Till Lindemann zu beurteilen ist.“

Es gehe vielmehr auch um eine gesellschaftspolitische, moralische Frage, sagt Hofbauer. „In einem Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung, und das ist wichtig und richtig. Aber Unschuldsvermutung heißt nicht automatisch, dass gesellschaftliche Verantwortung endet, sobald juristisch kein Verfahren geführt wird.“ Dass einem Mann wie Till Lindemann eine so große Bühne wie die Stadthalle geboten werde, sei juristisch korrekt, aber nicht automatisch gesellschaftlich verantwortungsvoll, so Hofbauer.

Protest geht weiter

In die gleiche Kerbe schlägt die feministische Künstlerin Sophie Tschannett: „Wir alle kennen die Diskussion, ob man die Kunst von der kunstschaffenden Person trennen darf und soll. Für mich ist die Sache ganz klar: nein.“ Es handle sich – egal ob privat oder beruflich – immer um dieselbe Person. „Das Verhalten in den unterschiedlichen Rollen muss als eines gesehen und sanktioniert werden“, sagt sie.

Zu Ende ist der Protest damit doch nicht. Auch am Samstagabend, bevor die Solo-Show des Sängers mit dem Titel „Meine Welt“ über die Bühne geht, findet eine Demonstration statt. Organisiert wird sie vom Bündnis „Feminism Unlimited“ ab 17 Uhr im Märzpark. „Wir sind schockiert, dass Till Lindemann trotz massiver Vorwürfe von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt in der Wiener Stadthalle auftreten soll. Dass dieses Konzert stattfindet, ist ein politisches Versagen“, ist auf der Instagram-Seite zu lesen.

Vom Veranstalter hieß es auf KURIER-Anfrage im Mai, als mit dem Vorverkauf begonnen wurde, dass die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher oberste Priorität habe und man dem auch gerecht werde. „Ein professionelles Awareness-Team ist vor Ort im Einsatz.“ Außerdem gebe es eine Altersbeschränkung, nur Personen über 18 Jahren dürfen das Konzert besuchen. „Die Altersbeschränkung orientiert sich an den künstlerischen Ausdrucksformen und geltenden Jugendschutzbestimmungen“, heißt es.

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