Prozess: Verbrecherjagd mit Sauerstoffflasche
Der ältere Herr mit der Sauerstoffflasche hat eine abenteuerliche Geschichte zu erzählen. Sie handelt von der serbischen Mafia, Arnold Schwarzenegger und einer Verbrecherjagd quer über die Kontinente. Doch fast kommt es gar nicht so weit. Eine wichtige Person fehlt: Und zwar der Staatsanwalt.
Der Pensionist sitzt Donnerstag früh als Angeklagter im Landesgericht für Strafsachen in Wien. Ihm wird vorgeworfen, einen Schaden in Höhe von 38 Millionen Euro angerichtet zu haben.
Doch eine Anklage ohne Ankläger ist ein Problem. Richter Thomas Spreitzer erfährt: Der Staatsanwalt ist in Innsbruck. Eine junge Kollegin im Landesgericht kann kurzfristig aushelfen – sie liest die wichtigsten Passagen der Anklageschrift vor.
Ein wichtiger Anruf
Dann läutet das Telefon des Angeklagten. „Handy abdrehen“, wird er sofort ermahnt. „Geht nicht, er wartet auf eine Lungentransplantation“, sagt sein Anwalt David Jodlbauer. Der Angeklagte darf das Gespräch annehmen. Als er es beendet hat, schnauft er durch. „Sie haben eine Lunge. Ich muss noch heute zu meinem Arzt.“
Der Gerichtstermin bleibt dem Mann dennoch nicht erspart. Ihm wird betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch vorgeworfen. „Nicht schuldig“, sagt der Angeklagte.
Einst erfolgreich
Der Mann, ehemals ein erfolgreicher Vermögensberater, hatte es zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht. Doch dann geschah etwas: „Er ist selbst Opfer eines groß angelegten Betrugs geworden“, schildert Anwalt Jodlbauer. 3,6 Millionen Euro hat er verloren. „Seither entgleitet ihm alles, er steht vor dem wirtschaftlichen und persönlichen Ruin.“
Sein Lebensinhalt wurde es, das verlorene Geld wieder zu erlangen. Dafür reiste er in die USA, die Türkei und nach Serbien. Er geriet an Personen, die ihm anboten, ihm bei der Suche nach den Betrügern und seinem Geld zu helfen – und wurde wieder ausgenommen.
Das Schwarzenegger-Double
In Serbien machte er Bekanntschaft mit der Mafia, die ihm die Autoreifen aufschlitzte. Und mit Arnold Schwarzenegger. Genau genommen einem Mann mit Schwarzeneggers Statur. „Der hat mir die Hand zur Begrüßung gereicht und mir mit seiner Stirn auf die Nase gehaut, dass ich geblutet habe.“„Er ist ein Getriebener, ein Verzweifelter“, bekräftigt Jodlbauer.
In den Augen der Staatsanwaltschaft ist er vor allem ein mutmaßlicher Krimineller. Mit SEPA-Lastschriften soll er Abbuchungen von anderen Konten veranlasst haben. Das bestreitet der Mann. „Meine Schuld ist es nur, dass ich SEPA damals nicht gekannt habe.“ – „Als Anlageberater?“, wird der Richter stutzig. „Das hat früher alles meine Sekretärin gemacht.“
Sein Anwalt erklärt: „Seine Kontodaten kursieren im Internet. Jemand hat sie benutzt.“ „Warum sollten wildfremde Leute 36 Millionen auf Ihr Konto buchen? Was haben die davon?“, fragt der Richter.
Fest steht, dass auffällig hohe Geldbeträge am Konto des Angeklagten landeten – und dass er sie teils selbst auf andere Konten überweisen wollte. „Ich dachte, das ist das Geld, das ich verloren hatte“, rechtfertigt er.
Nach zwei Stunden Verhandlung ist Schluss. Die Sauerstoffflasche des Angeklagten ist leer. Mehrere Zeugen müssen noch befragt werden. Prozess vertagt.
Kommentare