"Rotlicht-Boss" traf Zeugen im Laufhaus

Der 30. Verhandlungstag gegen den angeblichen Schutzgelderpresser-Ring im Rotlicht-Milieu rund um Richard Steiner begann so, wie viele vorangegangene geendet hatten: Mit einem Hauptbelastungszeugen der Anklage der, ohne ihn auch nur anzutippen, umfiel.
Zoran J. ist nämlich unauffindbar – zumindest für die heimischen Behörden. Zig Mal wurde er vor den Schöffensenat des Wiener Landesgerichts geladen. Sein Platz im Zeugenstand blieb aber auch am Montag leer.
Unauffindbar? Steiner kostete das, wie schon so oft in dem pannenreichen Verfahren, ein mildes Lächeln. Steiner sagt, er und J. seien kürzlich „im Laufhaus zusammengekommen. Er hat sich bei mir tausendmal entschuldigt.“ So als würde Steiner einen Joker zücken, legte er dem Schöffensenat ein A4-Blatt vor. Es war ein notariell beglaubigtes Schriftstück, in dem J. die vor der Polizei erhobenen Erpressungsvorwürfe widerrief. Die Idee stamme von J., beteuerte Steiner, um noch lapidar anzufügen: „Ich war nicht bewaffnet, hab’ ihn nicht bedroht.“ Ein anderer Zeuge, dasselbe Ergebnis: „Ich möchte mich jeder Einschätzung enthalten“, erklärte ein Oberösterreicher, den ein Polizist vorgeführt hatte.
„Nokia-Club“
Jahrelang hat die Behörde gegen Steiner und fünf Mitangeklagte ermittelt. Das Destillat daraus war laut Staatsanwaltschaft der „Nokia-Club, eine Art Firma, die das Rotlicht in Wien und Oberösterreich im Würgegriff hatte. Die Vorwürfe reichen von Erpressung, Sachbeschädigung, Nötigung, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung bis zu betrügerischen Krida im großen Stil.
Während des Prozesses bemühte sich Steiner, sein Image als beinharter Capo abzustreifen. Er sei kein „Rotlicht-Boss“, sondern „Obmann der Bordellbetreiber“. Wer in seinen Fonds bezahlte, stand demnach unter dem Schutzschirm seiner kampferprobten Truppe. Darunter der angeklagte „lange Peter“, 2,16 Meter groß, 15-fach vorbestraft.
Staatsanwältin Susanne Kerbl-Cortella versuchte nachzuweisen, dass bei den Zahlungen Gewalt im Spiel war. In ihrem Schlussplädoyer merkte sich nüchtern an: „Die Belastungszeugen sind samt und sonders zurückgerudert.“ Und sie zitierte Steiners Worte: „Das ist das Milieu.“ Von dort kämen die Zeugen, und dort würden sie eben wieder auf die Angeklagten treffen.
Steiners Anwalt Christian Werner zerpflückte in seinen Schlussworten erneut die Anklage. Der Beweis für die „kriminelle Organisation ist völlig fehlgeschlagen. ... Auf diese Zeugen zu bauen, ist mutig.“ Den „Nokia-Club“ beschrieb er als „legale Nachbarschaftshilfe“.
Am Dienstag sollen die Urteile fallen. Zuvor sind die Angeklagten am Wort.
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