Praterstern: Der steinige Weg vom Schandfleck zur Wohlfühloase

von M. S. Bachmayer (Text) und J. Christandl (Fotos)
Früher Eingang des kaiserlichen Jagdgebiets, dann Schandfleck Wiens – kaum ein Platz hat sich über die Jahrhunderte so sehr entwickelt wie der Praterstern. Und die Verwandlung schreitet nach wie vor voran. Derzeit wird der Platz umgebaut.
Die neuen Sitzgelegenheiten stehen (noch verpackt) schon dort – und haben in der vergangenen Woche bereits für Diskussionen gesorgt. Kritisiert wurden sie – unter anderem von der Caritas – als obdachlosenfeindlich, da man sich auf die runden Steine nicht hinlegen kann. Der KURIER berichtete.
Die Architekten verteidigen nun das Konzept. Ziel der Umbauten sei es, den oft bemängelten Platz zu einer Wohlfühloase zu verwandeln. Über 40 verschiedene Maßnahmen sollen laut den Architekten von Kenh dafür sorgen, dass sich die Bevölkerung dort sicherer fühlt und der Platz gar zu einer beliebten Begegnungszone wird.

Die Sitze wurden vergangene Woche als obdachlosenfeindlich kritisiert.
In den vergangenen Jahren war der Praterstern ein Hotspot für Kriminalität. Polizeieinsätze standen an der Tagesordnung. Seit April 2018 gab es 5.329 Anzeigen am Praterstern. Damals wurde dort ein Alkoholverbot verhängt, im Jahr darauf ein Waffenverbot, um durchzugreifen – und so das Image des Pratersterns aufzupolieren.
Freie Sicht
Den Platz „aufzuräumen und freizumachen“, ist laut Architekt Eric-Emanuel Tschaikner einer der wichtigsten Grundbausteine. „Durch die gestörte Sicht fühlen sich viele abends unsicher, weil die Orientierung fehlt.“ Die freie Fläche soll nicht nur das subjektive Sicherheitsgefühl steigern, auch Veranstaltungen könnten abgehalten werden. Bauern- und Christkindlmärkte oder kulturelle Events seien angedacht. Eine zusätzliche Fläche wird frei, wenn das Wasserspiel abgedreht wird.

Die Architekten Eric-Emanuel Tschaikner und Kim Tien.
Dies und ein neues vegetarisches Restaurant, das mit Fertigstellung der Bauarbeiten öffnet, sollen mehr und vor allem diverse Gruppen anziehen. Dass Obdachlose absichtlich ausgeschlossen werden, sei nicht Teil des Konzepts, sagt Architektin Kim Tien auf KURIER-Nachfrage. Aber jedes Sitzelement habe eine andere Funktion.
Die runden Steine seien etwa mehr für Jugendliche gedacht, andere sollen durch ihre Beschaffenheit die Kommunikation fördern. Wo welche und wie viele Sitze stehen, sei zudem mit Sozialarbeitern der Sucht- und Drogenkoordination Wien abgesprochen worden.
Mehr Natur
Die Anzahl der Grünflächen wurde erweitert, zukünftig soll ein sogenannter „grüner Ring“ den Platz umgeben. Die Anzahl der Bäume wurde von 60 auf 101 erhöht. Das subjektive Lärmempfinden soll so verringert werden, doch auch das Klima profitiert von dieser Umgestaltung.
Viel besucht
150.000 Menschen kreuzen täglich einen der meistfrequentierten Knotenpunkte Wiens, den Praterstern
Alkoholverbot
Die Stadt setzte in der Vergangenheit schon viele Maßnahmen, um die Situation zu verbessern. Etwa ein Alkoholverbot. Zu Einsätzen kommt es aber nach wie vor. Seit Inkrafttreten im April 2018 wurden 8.679 alkoholische Getränke von der Polizei entsorgt
Keine Waffen
2019 wurde ein Waffenverbot erlassen. Wer dagegen verstößt, zahlt bis zu 500 Euro Strafe
7,2 Millionen Euro
So viel kostet laut Stadt Wien die Neugestaltung. 4,8 Millionen Euro werden von der EU gefördert
Im sternförmigen Wasserspiel mitten am Platz befinden sich Düsen, die auf Hitze regieren und den Platz abkühlen. Durch Schatten und angenehmere Temperaturen soll der Platz dadurch auch im Sommer attraktiv werden. Auch heller wird es – zukünftig werden die Sitze rund um die Bäume beleuchtet. Die älteren Lichter wurden durch klimafreundlichere LED-Lichter ausgetauscht. Der neue Praterstern soll noch diesen Sommer fertig werden.
Gerade die Corona-Zeit hat gezeigt, wie wichtig öffentliche Räume für die Bevölkerung sind. Ob sich der Praterstern tatsächlich in die ersehnte Wohlfühloase verwandelt, wird sich zeigen.
Von Marie-Sophie Bachmayer
Kommentare