Pflegepersonal unter Druck: "Wir halten noch durch"
Die Situation in den Spitälern wird angesichts massiv gestiegener Coronavirus-Infektionszahlen zunehmend herausfordernder - auch für das medizinische Personal und die Pflegekräfte. Vor allem letztere sind durch die 24-Stunden-Einsätze bereits am Rande der Belastbarkeit angelangt, wie der Wiener Personalvertreter Edgar Martin im Interview mit der APA warnte. Die Gefahr, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ausbrennen, sei akut.
Schwierig sei die Lage nicht zuletzt deswegen, weil Corona jeden auch persönlich betreffe, sagte Martin. Er ist diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger im Gesundheitsverbund und stellvertretender Vorsitzender der Hauptgruppe II in der Gewerkschaft younion. "Ich glaube, was die Leute am meisten beschäftigt, ist der emotionale Rucksack, den sie mit sich herumtragen." Man müsse sich daheim auch um Kinder oder Partner kümmern bzw. sorgen. Die Krankheit lasse man nicht zurück, wenn man das Spital verlasse. Diese permanente Belastung sei nicht zu unterschätzen: "Das macht etwas mit dir."
"Viele müssen auch angestammte Bereiche verlassen und in Sonderbereiche hineinrotieren." Zwar dürfte man dort natürlich nur tätig sein, wenn man eingeschult sei, aber man sei dort nicht so erfahren wie das Personal, das üblicherweise dort tätig ist, gab er zu bedenken. Das betreffe vor allem die Intensivstationen: "Somit ist das mit massiver Unsicherheit verbunden, wenn man das gewohnte Terrain verlässt. Die Angst, etwas falsch zu machen, ist da."
Noch sei Situation zu meistern
Sollte es jemals zur Triage kommen - also das notgedrungene Aussuchen von Corona-Intensivpatienten im Falle einer Überlastung der Intensivkapazitäten - würde die Belastung weiter massiv ansteigen, zeigte sich Edgar Martin überzeugt. Noch könne man mit der Situation fertig werden: "Wir halten noch durch." Würde die nächste Stufe erreicht werden, könnte sich das aber ändern, warnte der Gewerkschafter.
Schon jetzt zeige sich auch, dass sich die Belastung höchst unterschiedlich bei den Betroffenen auswirke: "Es gibt Kollegen, die am liebsten alles hinschmeißen würden und andere, die viele Überstunden machen wollen." Zuletzt habe auch das Attentat in Wien - nach dem zahlreiche Menschen in den Wiener Krankenhäusern versorgt werden mussten - für emotionale Belastungen gesorgt. "Das sitzt tief drinnen", meint der Gewerkschafter.
Martin warnte jedoch davor, nur die Mediziner und die Pflegekräfte im Auge zu haben. Auch Verwaltungspersonal, Reinigungskräfte und Techniker würden unter der momentanen Lage leiden - aber nicht so im Fokus wie die Kerngruppe stehen. Es bestehe die Gefahr, dass diese unbemerkt ausbrennen.
Der Personalvertreter hob hervor, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreut werden: "Unsere Psychologen sind derzeit sehr gefordert. Aber die Aufarbeitung wird erst passieren, wenn der Druck draußen ist." Wenn aktuell jemand ausfällt, wird umgehend das Problem verschärft, schilderte Edgar Martin. Dramatisch wäre es, wenn viele demnächst daheimbleiben müssten, um Kinder zu betreuen: "Ein Schul-Lockdown würde uns pulverisieren."
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