Posse in Ottakring: Baum weg, Baum hin, Baum weg

Jungbaum in Ottakring.
In der Liebhartstalstraße musste eine alte Linde gefällt werden, doch der junge Ersatzbaum stand nicht lange.

Ginge es nicht um Steuergeld in einer verschuldeten Stadt wie Wien, müsste man über die folgende Episode bloß amüsiert schmunzeln. So darf man aber durchaus auch die Frage stellen, wer für eine solche Baum-Posse die Verantwortung übernimmt – schließlich wurde Geld verschwendet für einen Baum, den es nun eigentlich gar nicht gibt.

Die ganze Geschichte beginnt bereits im Frühjahr: Vor dem Haus Liebhartstalstraße 50 befindet sich eine mächtige Winterlinde. Der Baum firmiert im Wiener Baumkataster unter der Nummer 3004 – und hat seit mindestens 120 Jahren als Schattenspender und Frischluftproduzent in Ottakring gedient. Offenbar wegen Pilz- und Käferbefalls musste der Baumriese – sehr zum Leidwesen der Anrainer – gefällt werden. Doch schon wenige Woche später bekam der 3004er einen würdigen Nachfolger: Eine stattliche junge Blumenesche wurde an Ort und Stelle nachgepflanzt und gedieh im verregneten Frühsommer bereits prächtig. Allerdings war ihr kein langes Dasein in der Ottakringer Stadtrandlage beschieden – denn schon rückte wieder ein Trupp Arbeiter an: Der Jungbaum wurde flugs „entnommen“, und die kurz davor mit bestem Humus aufbereitete Baumscheibe mit dunklem Asphalt planiert.

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Alles platt: Asphalt statt Grün in der Liebhartstalstraße.

Anrainer wie Alexandra Dörfler vom Verein „Baumschutz Ottakring“ trauten ihren Augen angesichts dieser Aktion nicht und begehrten Auskunft. Über die „Sag’s Wien“-App gab es folgende Antwort: „Der Baum wurde entfernt, da es sich hier um keinen geeigneten Baumstandort gehandelt hat. Die MA 28 muss hier den Gehsteig ergänzen, damit eine gesicherte Fußgängermobilität gewährleistet wird.“ Dass ein seit der Kaiserzeit existierender Baumstandort plötzlich nicht mehr „geeignet“ sei, kommentiert Dörfler kopfschüttelnd nur so: „Man muss nicht alles verstehen . . .“.

Schärfer reagiert Forstwirt Alexander Mayr-Harting von der Initiative „Zukunft Stadtbaum“: „Was ist das für eine haarsträubende Kommunikation innerhalb der Magistrate?!“ Solche Schildbürgerstreiche gehörten abgestellt. Doch die Baum-Posse wird auch zum Politikum, denn der grüne Bezirksrat Simon Ziegler verlangt nun im nächsten Ottakringer Umweltausschuss Aufklärung zu den „unnötig entstandenen Zusatzkosten“: Denn im Kleinen sei diese Geldverschwendung „exemplarisch“, was im Großen passiere, so Ziegler.

Verpflanzt und gepflanzt

Und wie verteidigen sich die zuständigen Stellen Straßenbau (MA 28) und Stadtgärten (MA 42)? In einer Stellungnahme an den KURIER heißt es, dass Anrainer die unzureichende Begehbarkeit des Gehsteigs moniert hätten: „Deshalb wurde der in der Liebhartstalstraße gepflanzte Jungbaum in den Kongresspark verpflanzt und der Gehsteig entsprechend befestigt, um die Trittsicherheit für die Fußgänger herzustellen.“ Immerhin, der Jungbaum musste also nicht sterben. „Gepflanzt“ fühlen sich viele Anrainer trotzdem.

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