Orangen statt Erdöl: Wo die neue Nachhaltigkeit aufgezeigt wird

Schulklassen erfüllen am Dienstag das Technische Museum mit Leben. Aus luftiger Höhe ruft ein Bub aus dem Korb eines Heißluftballons: „Hallo, hier über Ihnen.“ Freudestrahlend winkt er auf die Reaktion von unten zurück. Und weiß gar nicht, dass es hier eigentlich auch um ihn geht. Um seine Zukunft.
Denn darum dreht sich die neue Ausstellung im Technischen Museum, „More than Recycling“, die ab heute im Technischen Museum, im markanten Ausstellungsturm für aktuelle Themen, zu sehen ist.
Auf dem Turm fahren die gelb leuchtenden Buchstaben RE langsam nach unten. Mit den anderen Wortteilen bilden sie sechs Schlüsselwörter, die unsere Zukunft bestimmen werden: refuse, recycle, reduce, repair, rethink, reuse.

Refuse.
„Jahrzehntelang haben wir nach dem Motto: kaufen, nutzen, wegwerfen gelebt“, steigt Peter Aufreiter, der Generaldirektor des Technischen Museums, gleich ins Thema ein. 500 Kilo Abfall produziert jede Österreicherin, jeder Österreicher pro Jahr, der Ressourcenverbrauch hat sich in den vergangenen 50 Jahren verdreifacht, weiß Aufreiter.

Recycle.
Was er auch weiß: Die Technik war und ist auch ein Motor unserer Entwicklung, das kritisch zu hinterfragen sei demnach auch die Aufgabe eines Technischen Museums.

Reduce.
Und das macht das Museum mit der neuen Ausstellung eindrucksvoll. Auf fünf Etagen werden fünf Bereiche mit eingängigen Botschaften, überraschenden Ausstellungsstücken und vielen wichtigen Informationen näher betrachtet.

Repair.
Es geht um Landwirtschaft und Ernährung, Bekleidung und Textilwirtschaft, Architektur und kreislauffähige Werkstoffe, alles zum Thema Kunststoff und Sharing und Reparieren.

Rethink.
Kuriose Beispiele
Die Ausstellung, deren Möblierung selbst zu einem großen Teil aus wiederverwerteten Teilen der vorigen Ausstellung zur Energiewende besteht, zeigt etwa einen Livestream zu jener Glühbirne, die seit 1901 durchgehend brennt, daneben steht die 100-jährige Waschmaschine, die es nur als Design-Objekt gibt.

Reuse.
Apropos Design: Projektleiter Jürgen Öhlinger betont, dass es in Sachen Kreislaufwirtschaft nötig ist, die Dinge schon bei der Entwicklung auf ihre Langlebigkeit auszurichten: „Die Wiederverwendbarkeit ist von Anfang an mitzudenken.“

Bekleidung ist oft nicht nachhaltig.
Deponie statt Produkt
Eingangs der Ausstellung steht ein Skischuh. Er steht auch exemplarisch für die Frage: Ist das Müll, wenn er nicht mehr gebraucht wird? Nein, denn das sehr komplexe Produkt besteht aus vielen hochwertigen Komponenten.

Wie kann ein Skischuh nach Ende seiner Lebenszeit recycelt werden? Derzeit werden alle wertvollen Materialien einfach verbrannt.
An der Montanuni in Leoben läuft derzeit ein Projekt, wie Skischuhe besser recycelt werden können – 120.000 Stück liegen dort derzeit auf Lager. Und auch hier wird das Thema von der anderen Seite, der Produktion her, gedacht.

Orangen könnten den Grundstoff für Kunststoff liefern.
Daneben liegt eine Orange. Sie steht für das wissenschaftliche Ringen um biobasierte Basisgrundstoffe bei der Produktion von Kunststoffen, um das CO2-intensive Erdöl zu ersetzen.
Oder der Wienerberger-Ziegel, an dessen serienmäßiger Fertigung gearbeitet wird.

Der Ziegel.
Eine Tonne des ausgezeichneten Grundstoffs, Lehm, aus der U2-Baustelle, wurde bereits untersucht und zu neuen Ziegeln verarbeitet. Sollte das serienmäßig erfolgen können, wäre das ein Beispiel für das Schließen von lokalen Produktionskreisläufen.

Der Hubschrauber ist leichter zu servicieren als eine Kaffeemaschine.
Und ein Techniker ist in einem Film zusehen, der erkennen muss, dass ein Hubschrauber leichter zu servicieren ist als eine handelsübliche Kaffeemaschine.
Die Ausstellung im Technischen Museum – die bis Ende 2026 zu sehen ist – richtet sich an uns alle. Dass rund 50 Prozent der Besucherinnen und Besucher unter 19 Jahre alt sind, macht Hoffnung. Hoffnung, dass das Thema der Ausstellung, die Kreislaufwirtschaft, nachhaltig verfängt.
Kommentare