Wann kam die Entscheidung, das Metier zu wechseln?
Als Winzer zu arbeiten, war mein Kindheitstraum. Ich habe sogar zum Thema Sektherstellung maturiert. Der Betrieb begann als kleines Projekt, das aber relativ schnell eskaliert ist. Heute bewirtschaften wir zehn Hektar, neben dem Wein haben wir noch mehr als 160 Marillenbäume. Derzeit führt mein Vater den Betrieb, aber irgendwann musste der Zeitpunkt kommen, an dem ich volle Verantwortung für meine Idee übernehme. Hinzu kam, dass man für einen Wahlkampf – noch dazu, wenn er so schwierig ist wie jener vor dieser Wien-Wahl – zu hundert Prozent motiviert sein muss. Ich habe in mich hineingehorcht und gemerkt: Das überlasse ich lieber anderen.
Haben Sie in der Politik etwas gelernt, dass Ihnen im Weingarten von Nutzen ist?
Respekt und Demut. Ich habe gelernt, dass jede Branche ihr Handwerk verlangt. Man kann als Neuer nicht kommen und glauben, man könne allen, die schon da sind, die Welt erklären. Ich bin damals aus der Unternehmensberatung in die Politik eingeritten und habe am Anfang gedacht, ich bin super gscheid. Am Ende habe aber ich von vielen anderen gelernt – wie man Kompromisse herstellt, wie man Themen an die Menschen vermittelt. Beim Weinbau ist es ähnlich. Es gibt in der Region viele tolle Winzer, die ihr Handwerk beherrschen. Also: Mehr Demut!
Hat sich die Politik in den vergangenen Jahren zum Schlechteren gewandelt?
Sie hat sich verändert. Im Moment ist Politik ein laufendes Change Management. Es ist ein ständiges Reagieren auf Dinge, die im Außen passieren. Das ist keine gute Zeit für Gestalter und Visionäre, sondern für Krisenmanager. Aber ich bin der Überzeugung, dass die Zeit der Visionäre wieder kommen wird. Daher sollten sich Parteien gerade jetzt öffnen und Menschen mit Ideen verstärkt aufbauen.
Wie sehen denn Ihre Visionen für Wien aus?
Noch einen Ex-Politiker, der nach dem Abgang über seine Visionen sinniert und Ratschläge erteilt, braucht keiner. Aber ich sehe natürlich die Herausforderungen, vor denen Wien steht. Es ziehen immer mehr Menschen in die Stadt, die sich als eigenes Ökosystem heute noch stärker vom ländlichen Raum unterscheidet als früher. Darüber sollte man nicht jammern. Man muss als Partei damit umgehen lernen.
Die ÖVP tut sich in urbanen Räumen schwer.
Als bürgerlicher Mensch wünsche ich mir, dass man versucht, die DNA des Bürgerlichen in der Stadt zu hinterfragen und vielleicht neu zu definieren. Es gibt Dinge, die zusammenpassen können, von denen man früher dachte, dass das nicht möglich sei. Ich bin etwa überzeugt, dass man in der Migration einen härteren Kurs fahren und sich zugleich gesellschaftspolitisch öffnen kann, ganz ohne seine Werte zu verraten.
Haben Sie ein Beispiel?
Ja, die Familie. Sie ist für uns Bürgerliche ein hoher Wert. Nun ist die Frage, wie man Familie versteht. Ich persönlich verstehe sie als Konstrukt. Und der zutiefst bürgerliche Wert, der dahinter steht, ist Verantwortung. Ich sage: Familie ist das erste System in der Gesellschaft, in dem Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Und wenn ich anfüge, dass das für mich unabhängig davon gilt, wie sich eine Familie konkret zusammensetzt, dann können sich darauf doch hoffentlich fast alle einigen – ohne, dass man dafür bürgerliche Werte verraten muss. Bürgerlich zu sein heißt nämlich auch, Menschen eigenverantwortlich in ihrer selbst gewählten Familie leben zu lassen, ohne sich einzumischen.
Es entspricht vielleicht nicht ganz der Parteilinie.
Das glaube ich nicht. Wobei, wenn man als Partei in Wien die Menschen begeistern will, muss man die Parteigrenzen sicher das eine oder andere Mal etwas dehnen. Auch Michael Ludwig hätte mit seiner SPÖ keinen Erfolg, wenn er unreflektiert einen Hardcore-Babler-Kurs fahren würde. Um in Wien Wahlen zu gewinnen, muss man Angebote schaffen, die der Lebensrealität Rechnung tragen.
Das Bürgerliche bleibt für Sie der Kern der DNA der ÖVP?
Das Bürgerliche kann einen vermeintlichen Widerspruch auflösen, über den die Politik seit jeher diskutiert: Individuum versus Kollektiv. Das Bürgerliche zeigt, dass jeder Mensch in seiner individuellen Würde wahrgenommen werden kann und dabei gleichzeitig in einer Verantwortung für die Gemeinschaft steht. Ich denke, viele wünschen sich, dass Menschen, die was leisten, auch etwas werden können – und dass es klare Sanktionierungen gibt für jene, die nichts beitragen oder sich nicht integrieren wollen.
Sie wollen der neuen ÖVP-Führung nichts ausrichten. Dass Sie mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden sind, darf ich aber annehmen, oder?
Niemand in der ÖVP kann zufrieden sein. Aber die Stärke unserer Partei ist es, immer wieder neue Talente hervorzubringen. Bei der nächsten Wahl ist wieder alles möglich.
Als Winzer setzen Sie auf biologische und biodynamische Landwirtschaft. Einige Ihrer Weine entstammen neuen PiWi-Sorten (Pilzwiderstandsfähig), die einen nachhaltigeren Weinbau ermöglichen.
Ich komme aus einer Familie mit hoher Sensibilität für Ökologie. Meine Mutter hat schon Bio-Produkte verarbeitet, bevor sich große Handelsmarken des Themas angenommen haben. Auch beim Wein wollen wir das, was in der Natur wächst, möglichst unverfälscht in die Flasche bringen.
Ist der Markt in Österreich bereit für neue PiWi-Sorten?
Ein Drittel unserer Flächen ist mit sogenannten pilzwiderstandsfähigen bzw. resistenten Sorten bepflanzt, das ist mein Beitrag zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft. Natürlich ist das noch ein Gewöhnungsprozess. Wir produzieren in einer Nische. Aber wir haben viele begeisterte Kunden. Unsere Zielgruppe sind Menschen, die die Rückseite des Etiketts lesen, die Wert auf Nachhaltigkeit legen. Und die bereit sind, faire Preise zu zahlen. Nicht zuletzt wollen wir auch ein Lebensgefühl verkaufen.
Welches?
Wir laden gerne Menschen zu uns aufs Weingut ein, wir wollen eine Auszeit vom Alltag ermöglichen, inspirieren, sinnliche Stunden schenken. In chaotischen und wirtschaftlich schwierigen Zeiten muss man auch innehalten und Kraft schöpfen. Da kann der Genuss helfen.
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