Obdachlosem ins Gesicht getreten: Prozess gegen Polizisten
Ein Wiener Polizist hat sich am Mittwoch wegen Amtsmissbrauchs und Körperverletzung am Landesgericht für Strafsachen verantworten müssen. Er soll einem Obdachlosen, der mit einer tobenden Psychose in ein Spital gebracht werden sollte, in einem Krankenwagen einen Tritt ins Gesicht verpasst haben. Ein Polizeischüler meldete den Vorfall seinem Ausbildner und bestätigte nun auch als Zeuge unter Wahrheitspflicht den Übergriff.
"Ich war wirklich geschockt. Ich hab' mich geschämt. Am liebsten hätte ich die Uniform ausgezogen", hielt der angehende Polizist fest. Der Angeklagte - ein 29 Jahre alter Beamter, mit dem er am 20. Jänner 2021 gemeinsam mit einem zweiten Polizisten eine Funkstreifen-Besatzung bildete - habe mit dem Fußtritt "eine Riesenmaßnahmenüberschreitung" gesetzt. Deswegen habe er den Vorfall gemeldet. "In meiner Welt ist das nicht in Ordnung", stellte der 26-Jährige im Zeugenstand fest, wobei der Angeklagte in einem Abstand von einem Meter neben ihm saß.
Angeklagter griff Zeugen an
Der angebliche Prügel-Polizist, der zuvor schon im Spital den 25-Jährigen getreten haben soll und vorläufig vom Dienst suspendiert wurde, wies die Anschuldigungen zurück: "Es ist nichts Unrechtmäßiges passiert." Der Schüler sei in seiner Polizeiinspektion nicht unbedingt gut angekommen. "In der Wiener Polizei spielt sich was Anderes ab als in Tirol", meinte der vom Dienst suspendierte Beamte unter Verweis auf die Herkunft des jüngeren Kollegen. Und weiter: "Er kennt Wien nicht, wie es ist." Neben der Sprachbarriere ("Tirolerisch haben nicht alle verstanden") habe auch "die geringe Körpergröße" des Schülers Probleme gemacht.
Der auf den Angaben des Polizeischülers beruhenden Anklage zufolge soll der Angeklagte den 25 Jahre alten Unterstandslosen in einem Krankenwagen - der psychisch auffällige junge Mann sollte vom Krankenhaus Hietzing ins Donauspital überstellt werden - zunächst provoziert haben, indem er ihn wiederholt mit seinem Vornamen ansprach und gängelte. Als der mit Handschellen Gefesselte deshalb kurz mit den Füßen in Richtung des 29-Jährigen trat, soll dieser aufgestanden sein und dem Wehrlosen mit dem Fuß ins Gesicht getreten haben, dass dessen Kopf gegen die Wand krachte.
"Der Kopf ist durch die Kraftanwendung nach hinten raufknallt. Ziemlich heftig. Er war definitiv benommen und hat sich nicht mehr gerührt", erklärte der Polizeischüler. Auf die Frage der Richterin nach der Heftigkeit des Tritt erwiderte der 26-Jährige: "Auf einer Skala von eins bis zehn würde ich sieben sagen."
Vorfall erst verspätet gemeldet
Auf beharrliche weitere Nachfragen des Verteidigers erwiderte der Zeuge: "Ich war Schüler, es war meine erste Amtshandlung, Sie können nicht von mir verlangen, dass ich alles weiß." Er räumte ein, vom gewalttätigen Zwischenfall nicht umgehend, sondern "zwei bis drei Dienste später" seinem Vorgesetzten berichtet zu haben: "Normalerweise hätte ich es sofort melden sollen. Das wird hier (in der Ausbildung, Anm.) allen gepredigt, dass wir solche Vorfälle melden müssen." Er sei jedoch zunächst "komplett überfordert" gewesen, habe in weiterer Folge von Vorgesetzten und anderen Kollegen aber "volle Unterstützung bekommen".
Der psychisch auffällige 25-Jährige war ursprünglich in einem Heim für Unterstandslose derart außer Rand und Band geraten, dass die Heimleitung die Polizei alarmiert hatte. Eine Funkstreife sollte den jungen Mann mit einer vermuteten tobenden Psychose ins Spital bringen, wobei sich der 25-Jährige dabei heftig wehrte und Beamte attackierte. Dafür wurde der Mann inzwischen auch wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt verurteilt.
Auch Pflegerin sah Kopftritt
Im Krankenhaus Hietzing wurden die Polizisten mit dem tobenden Mann dann ans Donauspital am anderen Ende der Stadt verwiesen. Während des kurzen Zwischenstopps im Krankenhaus Hietzing soll der Angeklagte dem Unterstandslosen schon ein erstes Mal ohne Notwendigkeit mit Gewalt begegnet sei. "Ich habe gesehen, wie er einen Kopftritt bekommen hat", schilderte eine Pflegerin dem Schöffensenat (Vorsitz: Martina Krainz). Der 25-Jährige sei zwar laut gewesen, "aber er hat nur versucht aufzustehen. Der angeklagte Polizist habe ihn "im Stirnbereich getroffen. Ich war sprachlos".
Der Angeklagte stellte auch diesen Vorfall in Abrede. Vielmehr sei der mit Handschellen gefesselte Obdachlose "wie ein Stier" in seine Richtung gelaufen und habe "irgendwelche Leute mit dem Kopf" treffen wollen. Er habe ihn mittels Armstreckhebel "möglichst sanft zu Boden gebracht und 20 Sekunden am Boden ausschnaufen lassen". Mehr sei nicht vorgefallen. Die Bändigung sei geboten gewesen: "Der hat ausg'schaut wie ein Werwolf. Schwarze Augen, Gewaltbereitschaft und Aggression war ganz oben."
Opfer ohne Erinnerung
Der laut Anklage somit zwei Mal misshandelte 25-Jährige hatte an das Ganze keine Erinnerung. Er sei damals unter Medikamenteneinfluss gestanden und außer sich gewesen. Er habe zwar Verletzungen im Gesichtsbereich gehabt, könne aber nicht sagen, wie diese zustande kamen, betonte der Mann. Er schloss sich dem Verfahren als Privatbeteiligter an und machte - sollte der angeklagte Polizist schuldig erkannt werden - 500 Euro Schmerzensgeld geltend.
Zur Befragung weiterer Polizisten, des Spitalspersonals und zweier Sanitäten, die den Krankentransport begleitet hatten, wurde die Verhandlung vertagt. Das Verfahren wird am 17. September fortgesetzt.
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