Wie Wiederkehr und der "Schelllhorn von Wien" Emmerling die Show stehlen

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Pinke Marktverschiebungen: Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling gerät immer mehr in den Hintergrund. Markus Ornig und Christoph Wiederkehr sind deutlich präsenter.

227.000 Menschen besuchten am Freitag vor einer Woche einen (oder mehrere) der Wiener Märkte. Die „Lange Nacht der Märkte“ verzeichnete damit einen Rekord. Mittendrin im Geschehen: Markus Ornig, Gemeinderat der Neos. Verantwortlich ist er als Sprecher für die Themen Wirtschaft, Finanzen – und Märkte.

Seine Leidenschaft gehört vor allem Letzteren. Auf Instagram lässt er die Wienerinnen und Wiener daran auch gerne teilhaben: Ornig tanzt nicht nur in Videos durch die „Lange Nacht der Märkte“, sondern beantwortet für das pinke Social-Media-Team ein Märkte-Quiz oder begibt sich am Brunnenmarkt auf die spielerische Suche nach Produkten. (So erfährt man etwa, dass er keine Ahnung hat, worum es sich bei Okra handelt.)

Diese Art des Auftritts passt zu Ornig, der sich nicht nur gerne als hemdsärmelig inszeniert, sondern dabei authentisch wirkt. Das Problem: Der 45-Jährige stiehlt Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling mehr und mehr die Show. Während Ornig mit Bildungsminister Christoph Wiederkehr (der übrigens noch Parteichef in Wien ist) Dürüm isst, bleibt Emmerling weitgehend im Hintergrund. Und das, obwohl sie ganz offiziell nicht nur die Bildungsagenden übrig hat, sondern eben auch für die Märkte verantwortlich ist. Dass ein Bereichssprecher prominenter ist als sein zuständiges Regierungsmitglied, das ist politisch eher ungewöhnlich.

Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling.

Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling. 

"Keinen Fuß auf den Boden"

Unter Neos-Funktionären sorgt das zunehmend für Irritation. Dass sich die relativ neue Frontfrau gegen das eingespielte SPÖ-Team in der Koalition schwertut, kann man ihr (fast) nicht zum Vorwurf machen. Dass sie aber intern „keinen Fuß auf den Boden bekommt“, lässt manchen ratlos zurück. Nicht zuletzt, weil die Märkte das erklärte Lieblingsressort der Partei sind. In den Verhandlungen über Rot-Pink II setzte man viel daran, es der SPÖ abzuluchsen, die es nur ungern abgab. Als es gelang – anscheinend war Ornig eine der treibenden Kräfte – , feierte man sich bei der Mitgliederversammlung dafür.

Davor lag das Thema in der Verantwortung von Ulli Sima, die sich damit profilierte: Während Corona gewannen die Märkte ohnehin an Bedeutung; zudem erneuerte, sanierte und erweiterte Sima da und dort. Beim Naschmarkt setzte sie gegen lauten Widerstand zudem ein Herzensprojekt um: Eine Markthalle nach internationalem Vorbild, die sie in Bälde an der Seite von Emmerling zumindest noch miteröffnen darf. (Nein, Ornig wird auch hier nicht weit sein.)

Emmerling kommt nur langsam in die Gänge. Welche großen Projekte in Planung sind, will man in ihrem Büro auf KURIER-Anfrage noch nicht beantworten. Genannt werden „klimafitte Umgestaltungen wie am Schlingermarkt“ (das Projekt stammt noch aus Simas Feder) oder aber „Afterwork am Markt“. Bei Letzterem sollen Formate etabliert werden, die die Gäste am Abend zu den Märkten bringen; viel mehr ist dazu noch nicht bekannt. (Dass auf der Neos-Website beim dazugehörigen Text Wiederkehr und Ornig – diesmal mit Bier statt mit Dürüm – abgebildet sind, kann man erwähnen, muss man aber nicht.)

Ein lauter Gemeinderat

Erstmals aufgezeigt haben die Neos zuletzt beim Hannovermarkt in der Brigittenau – der KURIER hat berichtet. Diesen will die Partei nach nur fünf Jahren erneut sanieren. Nicht ganz unumstritten, immerhin steckte die Stadt erst 2020 rund 1,4 Millionen Euro in den Markt. Ein Thema für Emmerling? Erneut Fehlanzeige. Auf eine Anfrage an Emmerling antwortete Klubobfrau Selma Arapovic, und zwar in ihrer Rolle als pinke Bezirkschefin der Brigittenau.

Ornig nimmt man in der Partei sein lautes Auftreten übrigens nicht übel: „So ist er halt“, sagt eine Funktionärin. „Er ist ein Macher und wahrscheinlich der lauteste unserer Gemeinderäte“, sagt ein anderer. „ Er wird auch mal aktiv rausgeschickt, wenn es ums Draufhauen geht.“ Wieder ein anderer nennt ihn gar „den Schellhorn von Wien“. Tatsächlich sind gewisse Parallelen im Auftritt von Ornig und jenem von Staatssekretär Sepp Schellhorn nicht abzustreiten. (Wobei sich Ornig den Tritt in Fettnäpfchen bisher erspart hat.) Dass Ornig den Staatssekretär im Wahlkampf in gemeinsamen Social-Media-Videos ins Bild rückte, passt zur Erzählung. Dass ihm egal ist, dass Schellhorn gerade bei den Wiener Pinken eher unbeliebt ist, ebenfalls.

Markus Ornig mit dem bei den Wiener Parteikollegen wenig gelittenen Sepp Schellhorn in der gemeinsamen Video-Serie.

Markus Ornig mit dem bei den Wiener Parteikollegen wenig gelittenen Sepp Schellhorn in der gemeinsamen Video-Serie.

Andere stehlen die Show

Kampferprobt ist Ornig jedenfalls – immerhin war SPÖ-Stadträtin Sima lange sein Gegenüber. Mit ihr legte er sich etwa bei der Öffnungszeitenpflicht an, die die Stadt (noch vor der Neos-Mit-Regentschaft) zur Attraktivierung der Märkte einführte. Eine Aufsperrpflicht zu bestimmten Uhrzeiten sollte sicherstellen, dass die Besucher ein gutes Angebot vorfinden. Ornig ortete „Planwirtschaft“, „Zwangsarbeit“ – und erstellte Rechtsgutachten, um die „verfassungswidrige“ Regelung zu bekämpfen. Durchgesetzt hat er sich nicht.

Und wie geht es Emmerling in ihrem drängendsten Thema, der Bildung? Hier gibt es einen anderen pinken Player, der ihr die Show stiehlt. Ex-Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr ist als Minister auch bei Wien-Themen präsent. Die Ausweitung der Kindergartenpflicht, die im Zuge der Reform der Mindestsicherung umgesetzt wird, verkündete wiederum SPÖ-Chef und Bürgermeister Michael Ludwig im Alleingang. Sie ist eine klare Integrationsmaßnahme. Auch diese Agenden liegen bei Emmerling.

Eine vom Koalitionspartner SPÖ in Auftrag gegebene Umfrage wies zuletzt aus, dass drei Prozent der Wähler bei einer (fiktiven) Bürgermeister-Direktwahl Emmerling ihre Stimme geben würden. Bei der Wahl im April kamen die Neos auf 10 Prozent.

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