Nahversorger statt Touristenfalle: Neue Marktverordnung in Wien

Als ein „Muss“ für Wien-Urlauber bezeichnen die Redakteure vom weltweit größten Reiseverlag „Lonely Planet“ den zwischen Linker und Rechter Wienzeile gelegenen Touri-Magnet Naschmarkt. Er sei die Anlaufstelle schlechthin, um Lebensmittel zu kaufen, heißt es weiter.
Eine Beschreibung, die Wiener, die den Markt im Alltag nutzen, nur ein müdes Lächeln kostet. „Einheitsbrei“, sagt Anrainerin Christin Amy Artner über das feilgebotene Sortiment. „Ramsch“ geht die Mitarbeiterin einer dort ansässigen Traditionsbäckerei einen Schritt weiter. Und tatsächlich zeigt ein Lokalaugenschein, dass der bei Touristen so beliebte Markt von Oliven-, Trockenobst- und Souvenirverkäufern dominiert wird.

Ein Umstand, der der rotpinken Stadtregierung schon länger ein Dorn im Auge ist, doch für den diese nun eine Lösung gefunden haben will: „Die Wiener Märkte erfüllen eine wichtige Aufgabe als Nahversorger mit guter Qualität und guten Preisen. Bezüglich Naschmarkt erreicht uns aber immer öfter die Kritik, dieser sei zu touristisch“, erklärt die zuständige Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Man werde deshalb bei der Marktverordnung nachschärfen.
Konkret soll das so aussehen, dass auf Wiens Märkten keine Reiseandenken wie Tassen, T-Shirts, Miniaturen von Bauwerken oder Wappen angeboten werden dürfen. Den Standbetreibern will die Stadt eine dreijährige Übergangsfrist einräumen, um das Sortiment entsprechend umzustellen. Gelingt das nicht, könnten diese ihre Marktstände verlieren.
„Anti-Wasabi-Maßnahme“
Das von Sima sogenannte „Lex Naschmarkt“, das auch für die anderen 16 Wiener Märkte gilt, dort aufgrund der Produktvielfalt aber wohl kaum exekutiert werden muss, sieht noch weitere Änderungen vor. In Zukunft will die Stadt bei Superädifikaten, also privat errichteten Ständen auf Wiener Grund, beim Warenangebot mitreden, sobald diese den Betreiber wechseln. Vor der Weitergabe soll dem Marktamt künftig ein Konzept samt Geschäftsidee präsentiert werden.
„Wir wollen als Stadt aktiv beim Warenangebot auf den von der Stadt finanzierten Märkten mitreden, setzen quasi eine ‚Anti-Wasabi-Nüsse-Maßnahme‘ um und fördern das vielfältige Angebot“, so Märkte-Stadträtin Sima.
17 fixe Märkte
gibt es in Wien. Anders als in anderen europäischen Großstädten wurden es zuletzt sogar mehr
21,3 Mio. Kunden
besuchten im Vorjahr einen der 17 Märkte
Zuwachs
Der Mazzucco-Markt, ursprünglich ein Markt auf Probe in der Seestadt Aspern, wird mit der Novelle der Marktverordnung zu einem fixen Wochenmarkt
Keine Winterpause
Neu ist auch, dass es auf vielen Märkten künftig keine Winterpause mehr gibt. Außerdem werden Öffnungszeiten teils verlängert
Dass Vielfalt auf Wiener Märkten ankommt, zeigt der einstige Geheimtipp Brunnenmarkt in Ottakring, der mit seinem Multikulti-Angebot und guten Preisen den Naschmarkt bei den Besucherzahlen bereits hinter sich gelassen hat. Ein weiteres positives Beispiel sei der neugestaltete Währinger Kutschkermarkt, betont Neos-Märktesprecher Markus Ornig.
Der Naschmarkt hingegen sei momentan nicht das, was in den Reiseführern versprochen werde, bekrittelt Ornig. Und: „Die Besucher wollen Snacks, sich durchkosten, Marktschreier und Gastro“, hofft er durch die Maßnahmen auf ein künftig attraktiveres Markterlebnis.

Teuer, Qualität mäßig
Das würde viele Wiener zurückbringen, glaubt Florian Deutsch, der seit Jahren in Marktnähe wohnt, zum Einkaufen mittlerweile aber nur mehr samstags zum Bauernmarkt kommt. „Seit ich hier lebe, hat sich der Naschmarkt verändert. Vor allem zentrumsseitig sind die Preise bei durchschnittlicher Qualität überzogen.“
Schlendert man mit dem Anrainer an den Marktständen vorbei, werden einem fast ausschließlich zuckrig-süße Trockenfrüchte und gefärbte Oliven als Kostproben hingehalten. Jene, die zugreifen, antworten fast immer mit einem „Thank you“. Die wenigen Nicht-Touristen hingegen schlängeln sich rasch vorbei.
Ein Bild, das – geht es nach Wiener SPÖ und Neos – bald der Geschichte angehören soll. Bereits am Montag geht die novellierte Marktverordnung in Begutachtung. Rund einen Monat später könnte sie bereits beschlossen werden.
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