Wiener Melange: Neue Radhighways, aber auch alte Schikanen

Neuer Rekord bei Radweg-Offensive! Stadt investierte 2024 mehr als 50 Millionen Euro! – viele Leuchtturmprojekte fertiggestellt!
Die Aussendungen aus dem Büro von Mobilitätsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) werden gerne mit Rufzeichen versehen. Doch was bleibt, wenn man die drei Rufzeichen durch drei Fragezeichen ersetzt?
Zwei KURIER-Redakteure setzten sich der frischen Luft aus. Hier ihre Erfahrungen:

Highway zum Hauptbahnhof: die Argentinierstraße
Die Verbindung vom Karlsplatz rauf zum Bahnhof war schon ein Leuchtturmprojekt in den 1980er-Jahren unter Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ). Im Herbst 2024 wurde sie mit durchaus berechtigtem Trommelwirbel als Radhighway eröffnet. Die Route vom Ring nach Favoriten bietet Radlern viel Fahrbahn und wenig Auto-Begegnung.

Eine historische Baustelle: der Ring-Radweg
Wenn sich Ulli Sima wirklich ein Denkmal setzen möchte, auf der historischen Ringstraße ist viel Luft nach oben: Schon seit Helmut Zilk fordern Rad-Aktivisten: „Verlegt den Radweg in die Nebenfahrbahnen!“
Weil der historische Ring vom Rathaus eher Rad-defensiv betrachtet wird, kommt es hier seit Jahren täglich zu gefährlichen Situationen: mit Fußgängern, Botenfahrern, Hundebesitzern und Städtetouristen.

Highway to hell: Radautobahn nach Transdanubien
Kopenhagen bleibt aus Wiener Sicht weiter unerreicht. Doch auf dem Weg von der Urania via Praterstraße, Praterstern, Lassallestraße, Reichsbrücke, Donauplatte und Wagramer Straße zum Kagraner Platz bekommt man ein Gefühl, was die inoffizielle Radhauptstadt Europas Alltagsradlern bietet.
Die Ampelschaltungen ins helle Transdanubien sind jedoch nicht highway-like. Viel zu oft werden Radler gebremst.

Der Spuckerl-Highway: die Floridsdorfer Hauptstraße
Stolze 800 Meter ist er lang, der neue, zugegeben breite Radweg von der Jedleseer Straße bis zum Amtshaus am Spitz. Wer bei Highway an die Route 66 (3.940 km lang) oder an Kopenhagen denkt, wird abrupt enttäuscht.
Am Beginn der Brünnerstraße beginnt für Radfahrer auch der Highway to Hell, im Mischverkehr mit flott beschleunigenden Autofahrern müssen sie hoffen, dass sie von jenen nicht über den Haufen gefahren werden.

Peter Maller, Uhrmacher und Fahrradfahrer im 18. Bezirk
Lückenschluss mit Lücken: die Währinger Straße
Breit, baulich von der Fahrbahn getrennt und mit Jungbäumen versehen. Speziell von oben kommend, also aus Gersthof, kann man es auf dem Radweg Richtung Bezirkszentrum richtig krachen lassen.
Das Problem: Beim Aumannplatz ist Schluss. Wer zum Gürtelradweg möchte, muss auf der 1,3 Kilometer langen Strecke erst wieder zwischen Bims, Autos und auf die Fahrbahn laufenden Fußgängern durch.
Uhrmacher Peter Maller, dessen Geschäft direkt an der neuen Route liegt, ist dennoch begeistert: „Noch führt der Weg ins Nichts, aber es ist ein Anfang.“ Er habe sich ein Rad zugelegt, weil das Radwegnetz in Wien derzeit so wachse.

Sabrina Detter (rechts) und Ashraf Abd El Malek sind keine Fans des Radwegs in der Krottenbachstraße
Prestigeprojekt und Hassobjekt: die Krottenbachstraße
Seit Jahrzehnten ein Politikum ist der Radweg in der Döblinger Krottenbachstraße, denn in keinem Bezirk gibt es weniger sichere Radverbindungen. Speziell die Fertigstellung des Stücks zwischen der Flotowgasse und der Börnergasse im Vorjahr ließ die Wogen hochgehen.
Pro-Parkplatz-Demonstranten hinderten Radler – angelehnt an die Klimakleber – an der Weiterfahrt. Auch jetzt ist der Ärger noch groß. Der Radweg sei überdimensioniert, werde vor allem von Essenszustellern mit E-Mopeds genutzt und habe Geschäftsleuten geschadet.
Ob das so bleibt, wird sich aber erst bei Vollauslastung der Hauptradroute im Frühling zeigen.
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