Mariahilfer Straße: Befragung rechtswidrig?

Ein Mann mit Anzug und orangefarbener Krawatte steht vor einem Gebäude.
Verfassungsjurist Mayer meldet Bedenken an. Stadtregierung widerspricht.

Die Debatte um die Befragung zur Mariahilfer Straße ist um eine Facette reicher. Nun dreht sich das Hickhack um juristische Fragen. Die Rathausopposition meldet Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Mitte Februar startenden Bürgervotums an. Rot-Grün verweist jedoch darauf, dass die Befragungsmodalitäten im Vorfeld mit allen zuständigen Experten und Juristen beraten und abgesprochen worden seien.

Den Stein des Anstoßes lieferte Verfassungsrechtler Heinz Mayer. Dieser äußerte im Ö1-Morgenjournal Bedenken an der Rechtskonformität der "Mahü"-Befragung. Konkret stieß sich der Jurist daran, dass EU-Bürger ohne österreichischen Pass ebenfalls mitstimmen dürfen. Denn das widerspreche dem Wiener Volksbefragungsgesetz.

EU-Bürger-Teilnahme nicht rechtens?

Die konkrete Anrainerbefragung wird allerdings nicht als Volksbefragung, sondern als Meinungserhebung durchgeführt - eben um EU-Bürgern (in Analogie zu Bezirksvertretungswahlen, Anm.) die Teilnahme zu ermöglichen. Diese Form unterlaufe die gesetzlichen Regelungen, da es bei solchen "informellen Bürgerbefragungen" keine Rechtmäßigkeitskontrolle gebe und somit der Manipulation Tür und Tor geöffnet würden, moniert Mayer.

Kritik kommt auch von der Initiative „mehr demokratie“. Da es sich um „eine private Meinungsumfrage der Wiener Stadtregierung“ handle, sei auch der Zugriff auf Daten des Melderegisters nicht zulässig, betont deren Vorsitzender, Erwin Leitner. Er verweist auf eine vergleichbare Entscheidung der Datenschutzkommission 2012 in Graz.

Zustimmende Reaktionen von FPÖ und ÖVP ließen nicht lange auf sich warten. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache spricht von "offenem Rechtsbruch" und forderte eine Wien-weite Volksbefragung zur "Mahü". Der blaue Verkehrssprecher Toni Mahdalik sah Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) gar schon "mit einem Fuß im Kriminal". Wiens ÖVP-Obmann Manfred Juraczka ortet anlässlich Mayers Befund eine "rot-grüne Bankrotterklärung" und appellierte an Vassilakou, die demokratiepolitischen Mindeststandards einzuhalten, um die Stadt nicht auf das Niveau einer Bananenrepublik herabsinken zu lassen.

Stadtregierung unbeeindruckt

Die rot-grüne Stadtregierung gibt sich ob der Kritik unbeeindruckt und verteidigt die Vorgangsweise. Die Klubobmänner von SPÖ und Grünen, Rudolf Schicker und David Ellensohn, erinnern in einer gemeinsamen Aussendung auch daran, dass die Befragung im Dezember auch mit Zustimmung der Volkspartei im Gemeinderat unter Dach und Fach gebracht wurde: "Die ÖVP kann sich jetzt nicht aus der Verantwortung ziehen und so tun, als wüsste sie nicht, was sie erst kurz vor Weihnachten selbst mitbeschlossen hat."

Ö1

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Ab 17. Februar werden die ersten Fragebögen verschickt. Zweieinhalb Wochen haben die Bürger dann Zeit, zu entscheiden – ob das Projekt Mariahilfer Straße fortgesetzt wird oder nicht. Der KURIER hat die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wer darf an der Bürgerbefragung teilnehmen?
Alle Bewohner des sechsten und siebenten Bezirks, die bis zum 7. März das 16. Lebensjahr vollendet haben. Dazu zählen auch knapp 7000 EU-Bürger. Geschäftsleute, die nicht im Bezirk hauptgemeldet sind, dürfen dagegen nicht mitstimmen.

Wann beginnt die Bürgerbefragung?
Die Fragebögen werden, aufgeteilt auf mehrere Tranchen, zwischen 17. und 21. Februar an die Teilnahmeberechtigten verschickt. Schon ab 27. Jänner werden die ersten Infofolder an die Haushalte geschickt, die den Ablauf der Umfrage erklären sollen.

Wie lange können sich die Bürger mit ihrer Antwort Zeit lassen?
Die Fragebögen müssen bis spätestens 7. März, 10 Uhr retourniert werden. Wer ganz sichergehen will, kann seine Karte auch persönlich in den Amtshäusern im sechsten und siebenten Bezirk abgeben.

Gibt es weitere Möglichkeiten, den Fragebogen abzugeben?
Ja. Im gesamten Befragungszeitraum werden an zehn frequentierten Stellen der Bezirke Mariahilf und Neubau Infotürme mit Postkästen für die Abgabe der Fragebögen aufgebaut.

Wie viel gibt die Stadt für die Befragung aus?
Die Befragung wird aus formalen Gründen von den Bezirken betrieben, ausgeführt wird sie vom Presse- und Informationsdienst der Stadt (MA 53). Jeder Bezirk hat dafür ein Budget von 283.000 Euro beschlossen, insgesamt sind das 566.000 Euro.

Warum ist die Befragung zur Mariahilfer Straße um so vieles teurer als die Pickerlfrage in den VP-Bezirken?
Neben der Abwicklung informiert die Stadt auch mit Inseraten über die Vorgangsweise der Bürgerbefragung.

Eine Grafik der APA zur Anrainerbefragung über die zukünftige Gestaltung der Mariahilfer Straße.
Datum, Teilnahmeberechtigte, Fragen Grafik 1459-13-Umfrage.ai, Format 42 x 100 mm

Wie viel gibt die Stadt also insgesamt aus?
Zu den 566.000 Euro für die Durchführung der Befragung kommen weitere 850.000 Euro, die das Büro der Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) für eine breite Werbekampagne einsetzt. Dabei sollen den Bürgern die Vorzüge einer Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße präsentiert werden. Insgesamt werden also mehr als 1,4 Millionen Euro in die Umfrage investiert. Zum Vergleich: Die Volksbefragung im Frühjahr 2013 hat die Stadt 7 Millionen Euro gekostet, 4,4 Millionen davon entfielen auf die Infokampagne. Allerdings konnten damals die Bürger aller 23 Bezirke abstimmen.

Ist das Ergebnis der Befragung bindend?
Rein rechtlich ist das nicht der Fall. Rot und Grün versichern allerdings mehrfach, das Ergebnis der Befragung umzusetzen. Dies war auch bei der Wien-weiten Volksbefragung 2013 der Fall.

Wie sieht der weitere Fahrplan aus?
Stimmen die Bürger gegen eine Verkehrsberuhigung, werden die bisherigen Maßnahmen wieder rückgängig gemacht.

Bei einem Ja zur Mariahilfer Straße neu starten im April 2014 die Bauarbeiten zur Umgestaltung. Sie umfassen unter anderem eine Pflasterung der gesamten Verkehrsfläche zwischen Kaiserstraße und Museumsplatz. Auch neue Beleuchtungsanlagen, Sitz- und Spielmöglichkeiten sollen installiert werden. Der Umbau soll in zwei Etappen zu jeweils sieben Monaten erfolgen. Das Projekt wäre somit im Herbst 2015 fertig. Die Baukosten liegen bei rund 25 Millionen Euro.

Die geplanten Neuerungen auf der Mahü:

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