Margareten: Ruhestörung auf der Wientalterrasse

Umstrittener öffentlicher Raum: Zuerst war sie unbenützbar, jetzt soll zu viel los sein
2015 eröffnete die damalige Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) eines ihrer Lieblingsprojekte. Und zwar eine von drei Wientalterrassen, die in den dicht besiedelten Bezirken Margareten und Mariahilf für konsumfreien öffentlichen Raum sorgen sollte. Sieben Jahre später fehlt von den anderen zwei versprochenen Terrassen jede Spur. Eines hat sich aber bewahrheitet: die Menschen nützen die Terrasse exzessiv – vor allem Jugendliche lieben den Ort. Denn wenn in der Stadt alles geschlossen hat, ist die Terrasse noch offen. Doch manche Anrainer sind fast schon hasserfüllt.

Seit 2021 versorgt die Hanfdiele die Terrasse mit Getränken.
Keine Sperrstunde
„Während die Parks um 21 Uhr oder Schanigärten um 22 Uhr schließen, ist die Wientalterrasse ohne Beschränkungen offen“, sagt ein Anrainer, der im Haus gegenüber wohnt. Trotz der Trennung durch Wienfluss und Straße sei der Terrassen-Lärm bis zu seiner Wohnung zu hören.
Auch eine andere Anrainerin will sich die Zustände nicht mehr gefallen lassen. Für sie sei das Leben unerträglich geworden. „Der Bass, der aus den Boxen der Besucher dröhnt, lässt unsere Fenster beben, wir Anrainer müssen im Sommer alles schließen und können trotzdem nicht schlafen“, sagt sie.
Ihre Beschwerden schrieb sie an das Innenministerium und an Bezirksvorsteherin Silvia Jankovic (SPÖ). „Aber man sieht, dass die Senioren den Politikern egal sind“, sagt die Frau. Denn aus dem Innenministerium hieß es in einem Schreiben, dass es die Party-Szene der Corona-Zeit nicht mehr gebe und dass man verstärkt vor Ort kontrolliere. Und die Bezirksvorsteherin will der Forderung, eine Terrassen-Sperrstunde einzuführen, nicht nachgehen: „Viel eher brauchen wir mehr Terrassen, weil die Nachfrage nach konsumfreiem Raum größer ist als gedacht“, sagt Jankovic.
Die Idee
Am 1. September 2015 wurde die erste Wiental-Terrasse eröffnet. Sie sollte erstmals, wie in New York, das „Chillen über der U-Bahn“ ermöglichen. Zwei weitere Terrassen waren geplant
Die Realisierung
Die Platte ist 76 Meter lang und 13,5 Meter breit. Kostenpunkt: 4,3 Millionen Euro. Es gibt Sitzplätze, Begrünung, kostenloses WLAN. 2016 wurde die Terrasse wegen Rutschgefahr im Winter gesperrt. Dann wurde ein Zaun mit Türen aufgestellt – für ein Betreten auf eigene Gefahr
Die ungewisse Zukunft
Am Donaukanal wurden 2020 „schwimmende Gärten“ eröffnet. 2021 wurde ein Antrag im Bezirksparlament für drei Wiental-Terrassen gestellt
Immerhin wurde die Terrasse im ersten Jahr eher skeptisch aufgenommen: Denn der Holzboden war so rutschig, dass er gesperrt wurde. Das kritisierte auch der Stadtrechnungshof. Jetzt gibt es im Winter einen Zaun mit Türen und Hinweistafeln, so liegt die Verantwortung des Betretens bei den Bürgern. „Warum lässt man das nicht auch im Sommer?“, meint ein Anrainer. „Und sperrt ab 23 Uhr zu?“

Die Ruhebedürfnis-Schilder sind bereits wieder verschwunden.
Mistkübel, Klo und Diele
Jankovic hat ein Öko-Klo und Mistkübel aufgestellt und für regelmäßigen Besuch der Park-, und Jugendbetreuung sowie der Wiener-Linien-Sicherheitsmitarbeiter gesorgt. „Ich habe auch Gespräche mit Anrainern geführt“, meint sie. Vor fast genau einem Jahr wurde im Bezirksparlament ein Antrag der SPÖ für drei weitere Terrassen gestellt. Dieser wurde damals in der Bezirksvertretungssitzung einstimmig angenommen. „Wir können nicht sagen, wann das realisiert wird, vielleicht im Zuge der U-Bahn-Oberflächengestaltung“, sagt Jankovic. Das sei dann erst 2028 möglich. Denn im Bezirk gibt es auch viele andere Baustellen: den U-Bahn-Bau eben oder den Umbau der Reinprechtsdorfer Straße.

Die Beziehung zu den Anrainern verbessert das jedenfalls nicht. Sie kritisieren auch das Lokal „Hanfdiele“, das die Besucher mit Getränken versorge. „Von wegen konsumfrei, heißt es . Die auf der Terrasse jährlich organisierten Partys der sozialistischen Jugend (SJ) seien auch zu laut. „Jugendliche brauchen Platz in der Stadt, wo sie nichts zahlen müssen“, sagt SJ-Landessekretär Paul Patscheider. Eine Sperrstunde auf der Terrasse sei für ihn das falsche Signal. Ein Beziehungsberater könnte helfen.
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