Mafiaprozess: Tod von Unbeteiligten nahm man in Kauf

Von kolumbianischen Todesschützen und Sprengsätzen vor vollen Lokalen ist am Dienstag im Wiener Landesgericht für Strafsachen die Rede. Verlesen werden seitenweise Chats zwischen mutmaßlichen Mafia-Mitgliedern, bei denen der Ton durchaus rau ist. Einer der Nachrichtenverfasser soll der 29-jährige Angeklagte Stefan K. sein – mutmaßlich Mitglied des montenegrinischen Skaljari-Clans.
Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn, in einen Doppelmordversuch in Ottakring im März 2020 involviert gewesen zu sein. Dieser galt dem verfeindeten Kavac-Clan, zumindest glauben das die Ermittler. Die Opfer der missglückten Anschläge – einmal ging eine Autobombe nicht hoch, Tage später scheiterten die Balkan-Gangster an Kommunikationsproblemen mit eigens eingeflogenen kolumbianischen Auftragskillern – wollen hingegen nichts von Kontakten zur Drogenmafia wissen.
Als Zeugen geladene Montenegriner und Serben im Alter von 47 und 57 Jahren beteuern, nichts mit Organisierter Kriminalität am Hut zu haben. „Ich ein Clan-Mitglied? Ich habe nicht einmal eine Bibliotheksmitgliedschaft“, heißt es von einem der beiden. Der Mann hatte früher ein – mehrfach in polizeilichen Ermittlungen aufgetauchtes – Balkanlokal in der Koppstraße betrieben. Genau dort, wo die Anschläge stattfinden hätten sollen.
Cevapcici ja, Mafia nein
Ein Zufall oder Fehler, betonten die angeblichen Mafiosi. „Ich weiß nichts von diesen Dingen, ich kenne mich nur mit Cevapcici aus“, argumentiert der Jüngere, der zuletzt eine dreijährige Haftstrafe wegen Drogengeschäften absitzen musste. Auch der 57-Jährige kann sich nicht erklären, warum er in verschlüsselten Krypto-Chats auftaucht – was der Richter knapp kommentiert: „Sie kommen wie die Jungfrau zum Kind. Manchmal ist das Schicksal grausam.“
Um die Schuld oder Unschuld der ehemaligen Geschäftspartner geht es am Dienstag aber nicht. Der 29-jährige K. ist es, der sie im Vorfeld observiert und sie den Auftragsmördern als Zielpersonen beschrieben haben soll.
Wären die Beteiligten dabei etwas professioneller vorgegangen, ist sich der Staatsanwalt sicher, wäre es zu einer Katastrophe gekommen. Ihm zufolge stehen bei den seit 2014 wegen 200 Kilo verschwundenen Kokains verfeindeten Clans Mord und Folter auf der Tagesordnung: „Ausgetragen ohne Rücksicht auf Verluste, auch auf Wiens Straßen. Der Tod von Unbeteiligten billigend in Kauf genommen. Das ist keine Fiktion, sondern die bittere Realität.“
Der Angeklagte bestreitet die ihm vorgeworfene Beteiligung am versuchten Mord. Abgesehen von einer Unschuldsbeteuerung macht er – wie in solchen Fällen üblich – von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.
Diskussion um Chats
Die Auswertung vermeintlich abhörsicherer Kryptohandys belastet K. jedoch schwer. Ausländischen Behörden gelang es, diese zu entschlüsseln. Die Kommunikation wurde dem heimischen Bundeskriminalamt zur Verfügung gestellt. Der Beschuldigte wurde daraufhin im April 2024 beim Versuch, nach Österreich einzureisen, festgenommen. Laut Rechtsansicht von dessen Verteidiger sei die Verwertung der Chats gar nicht zulässig. Die Berufsrichter teilen diese Meinung am Dienstag nicht: Die gerichtliche Verwertung der Chats wird erlaubt.
Aus diesen geht hervor, dass insgesamt zehn Personen in das Mordkomplott verstrickt gewesen sein sollen. Dass nur ein Mann vor Gericht steht, liegt daran, dass viele von ihnen mittlerweile tot oder im Ausland in Haft sind.
Doch in Wien reichen die Indizien nicht. Die Geschworenen sprechen den 29-Jährigen von den Vorwürfen, Mord-Beitragstäter gewesen zu sein, frei. Einen Schuldspruch gibt es allerdings wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung: Dafür bekommt der Angeklagte drei Jahre. Nicht rechtskräftig.
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