Lobautunnel: Hanke kann laut Gutachten gar nicht entscheiden

Medien und Politik bedienen gerne das Bild des Politikers, der ein Machtwort spricht und die letzte Entscheidung trifft. Für das umstrittene Projekt der S1-Nordostumfahrung von Wien inklusive Lobautunnel hat auch SPÖ-Verkehrsminister Peter Hanke für Herbst eine Entscheidung angekündigt.
Laut einem neuen Rechtsgutachten kann er die aber offenbar gar nicht treffen - oder zumindest nur sehr eingeschränkt. Außerdem: Im weiteren Verfahren gibt es laut Gutachten für den Lobautunnel nur zwei Wege - und keiner würde zu einer Bewilligung führen.
In Auftrag gegeben hat das Gutachten die Umweltorganisation Virus beim Gutachter und Experten für Öffentliches Recht an der Universität Innsbruck, Thomas Müller.
Sein Fazit: Hanke muss die 2025 von Ex-Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) veröffentlichte "Strategische Prüfung Verkehr" (SP-V) berücksichtigen. Und eben die empfiehlt, das Projekt nicht umzusetzen. Laut Müller hat der Umweltbericht eine rechtliche "Bindungswirkung" und dürfe nicht einfach ignoriert werden. Es gelte ein Umgehungsverbot.
Vorerst keine weiteren Genehmigungen
Ein weiteres Hindernis für das Straßenbauprojekt: Aktuell prüft der Europäische Gerichtshof (EuGH), ob eine sogenannte Strategische Umweltprüfung (SUP) hätte durchgeführt werden müssen.
Laut Müller wäre eine solche verpflichtend gewesen, zumindest für die ab 2006 erfolgten Projektänderungen. Pläne und Programme, die keiner SUP unterzogen wurden, seien auszusetzen oder aufzuheben.

Mit einer Entscheidung vom EuGH rechnet Wolfgang Rehm von Virus frühestens Ende 2026, eher 2027. "Bis zum EuGH-Entscheid dürfen keine weiteren Genehmigungen erteilt werden", erklärt er.
Was den Ausgang der Prüfung angeht, ist Rehm zuversichtlich: "Wir haben letzte Woche die Stellungnahme der EU-Kommission bekommen. Die Kommission vertritt dieselbe Rechtsauffassung, wie wir“ so Rehm.
Welche Optionen gibt es für das Projekt noch?
Stellt der EuGH tatsächlich fest, dass "rechtswidrig" keine SUP durchgeführt wurde, gibt es laut Müller und Rehm zwei Möglichkeiten für das weitere Vorgehen:
- Bei der von Gewessler eingeleiteten "Strategischen Prüfung Verkehr" (SP-V) fehle ein letzter Schritt, es müsste eine "zusammenfassende Erklärung" veröffentlicht werden. Vereinfacht gesagt, würde die Prüfung damit zur "Strategischen Umweltprüfung" (SUP) werden. Wie bereits erwähnt, muss Gewesslers SP-V berücksichtig werden (Umgehungsverbot), die aber wiederum zu dem Schluss kommt, die S1 samt Lobautunnel nicht umzusetzen.
- Man tut sozusagen nichts und der Rechtszustand mit fehlender SUP bleibt bestehen. In diesem Fall dürften aber keine neuen Bewilligungen erteilt werden, womit auch kein keine S1 und kein Lobautunnel gebaut werden dürfte.
Sieht man sich alle Faktoren an, unterliegt Minister Hanke mehrfachen Einschränkungen.
Umweltorganisation Virus
Übermittelt hat Virus das Gutachten auch an das Verkehrsministerium. Man unterstütze Hankes Bemühen, sich Zeit zu nehmen und sich alles genau anzusehen. Dieser könne sich nämlich nur in einem sehr engen Rahmen aus unionsrechtlichen Vorschriften bewegen.
„Sieht man sich alle Faktoren an, hat Minister Hanke mitnichten alle Freiheitsgrade der Entscheidung, sondern unterliegt mehrfachen Einschränkungen“, schließt Rehm.
Hanke: "Klare Entscheidung" im Herbst
Im Hanke-Büro erklärt man auf KURIER-Anfrage, man habe sich bis zum Herbst Zeit gegeben, um das Projekt "umfassend aufzuarbeiten" und im Herbst "eine klare Entscheidung zu treffen". Sobald feststehe, wie weiter vorgegangen wird, werde die Öffentlichkeit ausführlich informiert und der Aufarbeitungsprozess erläutert.
Wann genau im Herbst, will man nicht konkretisieren, doch auch der hat bekanntlich irgendwann ein Ende. Je nach Kalender, hätte Hanke mehr oder weniger Zeit: Meteorologisch endet der Herbst am 30. November, nach dem astronomischen Kalender erst zur Wintersonnenwende Ende Dezember.
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