Lautstarker Protest bei Demo gegen Kürzungen der Suchthilfe

Demo, Suchthilfe, Drogen, Wien
Beschäftigte und Betriebsräte der Suchthilfe gingen auf die Straße und machten ihrem Ärger über die geplanten Kürzungen Luft. Auch ehemalige Klienten kamen zu Wort.

27 Jahre lang war Willi suchtkrank. Er war obdachlos, schlief im Wald und lebte in der Gruft. „Ich bin aus diesem Strudel nicht mehr herausgekommen“, sagt der 58-Jährige. 

Er nahm am Donnerstag an der Demonstration der Betriebsräte der Suchteinrichtungen teil. Insgesamt fanden sich rund 200 Personen vor dem Büro von Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ein, um gegen die geplanten Kürzungen in den Einrichtungen zu protestieren.

„Ich bin hier, weil die Menschen, die jetzt mein früheres Leben leben, keine Chance mehr bekommen“, sagt Willi, ehemaliger Klient von „Gabarage“, einem Verein der Sucht- und Drogenkoordination. Heute arbeitet der 58-Jährige dort. „Gabarage“ ist ein Projekt, bei dem die Stadt nun den Sparstift ansetzen will. 

Das Ziel des Vereins besteht darin, Klientinnen und Klienten wieder in den Arbeitsmarkt und in das Bildungssystem zu integrieren. Die Stadt wird künftig aber nur noch 50 Prozent der Kosten von „Gabarage“ tragen. Die andere Hälfte soll laut Ewald Lochner, Sucht- und Drogenkoordinator der Stadt Wien, über AMS-Arbeitstrainings abgefedert werden.

Projekte eingestellt

„Die durchschnittlichen Klienten bei uns sind 45 bis 50 Jahre alt, haben einen Pflichtschulabschluss, sind oft arbeitslos, haben Schulden, psychische und körperliche Probleme. Wie soll das dann ausschauen? Einmal kurz zum AMS, Computerkurs, 50 Bewerbungen raus und das funktioniert dann?“, sagt Georg Schmid, Betriebsvorsitzender vom Verein „Dialog“, bei der Kundgebung. Eingestellt wird hier das Projekt „Standfest“, betroffen sind 500 Personen. Die Hälfte wird laut Lochner zur Weiterbetreuung an die Wiener Berufsbörse (WBB) vermittelt. Die wird künftig auch zur Gänze vom Arbeitsmarktservice Wien (AMS) finanziert, statt von der Stadt.

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Willi, ehemaliger Klient und Mitarbeiter bei "Gabarage": „Ich bin hier, weil die Menschen, die jetzt mein früheres Leben leben, keine Chance mehr bekommen.“

Die andere Hälfte der Betroffenen, die noch nicht stabil genug sind, sollen über das Sucht- und Drogenhilfenetzwerk versorgt werden. Für diese Klienten soll ein „ambulantes Leistungspaket“ für jeweils zwölf Monate angeboten werden. Geschlossen wird mit Juni 2026 der Betrieb „Fix und fertig“, wie man dort bestätigt. Auch das Projekt „Chancen Zukunft Wien“ ist massiv von den Kürzungen betroffen, ein Standort muss schließen.

"Hab' früher Blödsinn gemacht"

Einer, der dort befristet arbeitet, ist Leo, ein ehemaliger Klient. „Ich hab’ früher bis mittags geschlafen, bin rausgegangen und hab’ Blödsinn gemacht. Ich habe keinen Beitrag zur Gesellschaft geleistet“, erzählt der junge Mann. Heute hat er ein geregeltes Einkommen, eine Wohnung, einen geregelten Tagesablauf. Er bewirbt sich derzeit für Lehrstellen. „Durch die Kürzungen müssten viele Sozialarbeiter entlassen werden, die mir geholfen haben. Es kann nicht sein, dass den Schwächsten der Gesellschaft ihr Hilfssystem weggenommen wird“, so Leo.

Von der Wiener Sucht und Drogenkoordination heißt es, alle Entscheidungen über Einsparungen erfolgen so, dass der kontinuierliche Betrieb zentraler Behandlungs- und Unterstützungsangebote gesichert sei.

Budget aufgestockt

Lochner wies erneut darauf hin, dass das Budget von 55,5 Millionen Euro (2025) auf 57,9 Mio. im Jahr 2026 aufgestockt wird. Wie passt das mit den Kürzungen zusammen? Aufgrund der Inflation, höheren Energiepreisen, Mieten sowie Lohnkosten fallen für Behandlungen, die auf gleichem Niveau bleiben sollen, künftig höhere Kosten an, sagt Lochner. Die Verhandlungen zu den Einsparungen laufen derzeit nach wie vor.

Für Willi ist in der Causa noch nichts verloren: „Ich bin das erste Mal bei einer Demonstration. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass mir etwas wirklich ein Anliegen ist.“ Es sei auch sicher nicht seine letzte Demo.

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