Kultur am Limit: Tanzen auf Tiktok, weil Tanzstudios geschlossen sind

Kultur am Limit: Tanzen auf Tiktok, weil Tanzstudios geschlossen sind
Man tanzt derzeit auf Tiktok, weil Tanzstudios geschlossen bleiben. Der Tanzstudio-Verband Österreich fordert jetzt eine "dringende Öffnung" der Studios.

Immer mehr Tanzlehrer tummeln sich auf sozialen Netzwerken, denn ins Studio können sie aufgrund der Corona-Maßnahmen nicht gehen.Tanzschritte werden dort auf der Tiktok-Plattform nachgetanzt: einer macht vier Takte vor, der andere tanzt vier Takte nach. 

Tiktok-Tänze

"Jenny Bailar" unterrichtet normalerweise die lateinamerikanische Tanzart Reaggaton in dem Wiener Tanzstudio "Mi Barrio". Seit Corona tanzt sie auf sozialen Plattformen. "So kann ich mit Kunden den Kontakt halten und in Bewegung bleiben", sagt sie. Auch sie selbst kann dabei ihre eigenen Choreographien weiterentwickeln und bekommt manchmal Videoantworten aus der ganzen Welt. "Es ist natürlich auch ein schönes Gefühl, wenn man ein Feedback bekommt und andere mittanzen."

Auch das Tanzstudio Arriola bietet Online-Tanzkurse über die Video-App Zoom an. "Erwachsene kommen gut damit zu recht, bei den Kindern ist es schwieriger, die brauchen die Gruppendynamik", sagt die Geschäftsführerin Antonia Sotelsek. Die Kinder könnten die Konzentration nicht so lange halten. Über die zahlreichen Tanz-Videos auf den sozialen Netzwerken ist sie einerseits erfreut, weil es Tanzen wieder in den Fokus stellt. "Aber das Tanzen ist hier auch limitiert, da man nur für das Format des Handys tanzt", meint sie.

Tanzstudios in Bedrängnis

Insgesamt bringen die Anti-Corona-Maßnahmen die heimischen Tanzstudios zusehends in Bedrängnis. Demnach hat sich die Zahl der Mitglieder inzwischen beinahe halbiert (minus 48 Prozent), wie eine Umfrage des Verbands ergeben hat. Mit 37 Prozent sehen bereits mehr als ein Drittel der Betreiber den Weiterbestand ihres Unternehmens gefährdet. Verbandspräsidentin Rebekka Rom forderte am Montag via Aussendung eine "dringende Öffnung" der Tanzstudios.

Öffnung gefordert

"Die Ergebnisse unserer groß angelegten Basisdaten-Erhebung zeigen ganz deutlich, dass viele Tanzschulbetreiber unter Existenzängsten leiden und die Motivation unserer Mitglieder sinkt. Wir sind gerüstet für sicheres Tanzen - 80 Prozent der Befragten haben bereits ein Präventionskonzept entwickelt - und fordern endlich eine Öffnung", meinte Rom.

Schaden für Gesundheit

Sie führte auch gesundheitliche Aspekte ins Treffen: "Je länger gezielte Bewegung untersagt wird, desto größer der Schaden für Gesundheit und Wohlergehen." 70 Prozent der befragten Tanzstudio-Inhaber sahen eine abnehmende Motivation am Online-Unterricht bzw. eine eingeschränkte Qualität des Unterrichts als Gefahr. Dazu komme, dass der Bewegungsmangel zu psychischer und physischer Krankheit führe, und Kunden im Endeffekt ganz mit dem Tanzen aufhörten.

Trainer im Burn-out

Innerhalb der Trainerszene habe sich mittlerweile Frustration ausgebreitet, da Weiterbildungen und Auftrittsmöglichkeiten fehlten. Die Arbeitslosigkeit unter Trainerinnen und Trainern ende im Extremfall in Wut, Verzweiflung und Burn-out - "vor allem, weil ein Studio auch oft die einzige Einnahmequelle für eine ganze Familie darstellt", warnte Rom.

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