Heumarkt-Causa: Warum Schellhorn jetzt Post vom Konzerthaus erhielt

In der Debatte um den Welterbestatus der historischen Wiener Innenstadt – landläufig als Heumarkt-Causa bekannt – scheint die Liste jener, denen ob des jahrelangen Hin und Hers zwischen UNESCO und Stadt Wien die Geduld ausgeht, immer länger zu werden.
Denn was gerne vergessen wird: Der Streit um das Bauprojekt am Heumarkt betrifft nicht nur das Hotel Intercontinental selbst – sondern auch jene Institutionen, mit denen sich das Hotel das Areal teilt.
Das ist zum einen der traditionsreiche Wiener Eislaufverein, der schon vor einigen Jahren Alarm schlug: Aufgrund der Verzögerungen bei dem Bauprojekt und der „unsicheren Zukunft“ sei man „in der Existenz bedroht“, hieß es damals. Michael Tojner hatte im Zuge des Intercontinental-Neubaus ja stets die Generalsanierung des gesamten Areals in Aussicht gestellt, auf die der zunehmend marode Eislaufverein nun bis heute wartet.
Verstimmung im Konzerthaus
Die zweite Institution, die unter dem Streit über das Weltkulturerbe leidet, ist das Wiener Konzerthaus. Dessen Intendant hat seiner Sorge unlängst in einem Brief Ausdruck verliehen – und das in deutlichen Worten.

Ausschnitt aus dem Brief des Konzerthauses.
Adressiert ist das Schreiben, das dem KURIER vorliegt, an Staatssekretär Sepp Schellhorn. Der Neos-Politiker wurde ja erst vor Kurzem (wie berichtet) als „Vermittler“ in Sachen „Roter Liste“ bei der UNESCO in Paris vorstellig. Als Staatssekretär im Außenministerium ist er für die sogenannte Auslandskultur zuständig; zugleich liegen die UNESCO-Agenden auch im Kulturressort des roten Vizekanzlers Andreas Babler. (Aber dieser Kompetenzstreit ist eine andere Sache ...).
Musikhauptstadt Europas
In seinem Brief bringt der Konzerthaus-Intendant Matthias Naske jedenfalls einen spannenden Aspekt in die Heumarkt-Debatte ein, der gerne unter den Teppich gekehrt wird: Die UNESCO hat Wiens historischem Zentrum 2001 nämlich nicht nur wegen seiner architektonischen Bedeutung den Welterbestatus zuerkannt – sondern gleichsam auch wegen der Rolle als „Musikhauptstadt Europas“, die Wien seit dem 16. Jahrhundert einnimmt.

Intendant Matthias Naske fürchtet um den Standort.
Und während derzeit alle über Architektur diskutierten, sieht Naske genau jenes musikalische Erbe in Gefahr: „Der städtebauliche und faktische Zustand der unmittelbaren Umgebung des Wiener Konzerthauses ist seit Jahren deutlich unter dem Potenzial des Ortes“, schreibt er in seinem Brief. Dies „beschädigt die langfristigen Perspektiven des Erhalts des kulturellen Erbes der Musikhauptstadt Wien.“

Das umstrittene Heumarkt-Projekt.
Oder, wie es Befürworter des Heumarkt-Projekts – zugespitzt – formulieren: Ausgerechnet die Blockadehaltung der UNESCO selbst könnte dazu führen, dass ein anderes zentrales Kriterium für den Welterbestatus in Gefahr gebracht werde.
Naske: "Städtebauliche Aufwertung"
Das Konzerthaus, so Naske, sei mit rund 600.000 Besuchern pro Jahr „eine tragende Säule für die Weltstadt der Musik“. Für sein Haus sei die Entwicklung des „benachbarten Stadtraums entscheidend wichtig“. Tojners Letztentwurf für das Hotel hält Naske für eine „städtebauliche Aufwertung“, die „Dynamik in die überfällige Entwicklung des Bereichs zwischen Heumarkt und Lothringerstraße“ bringe.

Sepp Schellhorn soll eine Lösung finden.
Naske erhofft sich von Schellhorn nun, eine Lösung für die „seit so vielen Jahren unglücklich verlaufende Abstimmung auf internationaler Ebene“ zu finden. Ob er da erhört wird?
Die UNESCO selbst hat in ihrer „Draft Decision“ für die anstehende Welterbesitzung im Juli jedenfalls noch eine ganze Liste an Projekten (auch abseits des Heumarkts) vermerkt, auf die man ein Auge haben will, bevor man Wien von der „Roten Liste“ nehmen könne.
Darunter: die Neugestaltung der U2-Station Rathaus, die U5-Station Frankhplatz und das unterirdische Besucherzentrum im Oberen Belvedere. Bei allen drei Projekten geht die UNESCO zumindest derzeit nicht von „negativen Auswirkungen“ auf das Welterbe aus.
Heute, Montag, beschäftigt sich unterdessen einmal mehr die Justiz mit der Heumarkt-Causa: Vor dem Bundesverwaltungsgericht geht es um die Frage, ob das Bauprojekt wirklich keine Umweltverträglichkeitsprüfung benötigt.
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