Kuffner Sternwarte machte historische Wiederentdeckung am Dachboden

Die Kuffner Sternwarte in Wien-Ottakring
Manchmal übersieht man das Offensichtliche, selbst wenn es über 40 Jahre direkt vor einem an der Wand hängt. Wie das Bild des Heliometers in der Kuffner Sternwarte.
Das Fernrohr, mit dem die Entfernung zu Sternen gemessen wurde, ging 1896 in Betrieb und ist bis heute das größte Heliometer der Welt. Mit zur Ausstattung gehört ein Beobachtungsfahrstuhl, eine Art Podest mit Stuhl.

Die historische Aufnahme des Heliometers mit Fahrstuhl im Originalzustand.
Dass die ganze Konstruktion in der Sternwarte anders aussah, als auf dem historischen Foto, das über Jahrzehnte neben dem Heliometer hing, fiel jedoch niemandem auf - bis ein Restaurator mit dem Finger darauf zeigte.
Ein perfektes Bild
Den Sessel für das Podest fand man am Dachboden, fehlende Gewichte wiederum im hauseigenen Archiv. Nicht nur wurde das Heliometer in den historischen Originalzustand versetzt, sondern durch ein modernes Objektiv auch wieder funktionstüchtig gemacht und neu eröffnet.

Das restaurierte Heliometer in der Kuffner Sternwarte
"Perfekt" nennt Werner Zeilinger vom Institut für Astrophysik das neue Objektiv: "Dreifachlinsen sind sehr selten und werden heute eigentlich nicht mehr hergestellt. Man könnte heute noch damit Messungen machen."
Im Zuge des zweiten Weltkriegs wurde das Objektiv des Heliometers gestohlen und der wertvolle Messmechanismus zerstört. Bis guter Ersatz gefunden war, brauchte es mehrere Anläufe.

Das restaurierte und wieder funktionstüchtige Heliometer bei der Eröffnung
"Zwei Mal wurde beim Kauf eines neuen Objektivs gespart, beide Male wurden sie wieder zurückgeschickt, weil sie qualitativ eher mit einer Glasscherbe vergleichbar waren", erzählt Günther Wuchterl vom Verein Kuffner-Sternwarte.
Mehr als nur ein Stück vom Mond
Im Vergleich zum Großen Refraktor, der sich in der zweiten Kuppel befindet, hat das Heliometer ein größeres Bildfeld. Heißt: Statt eines Ausschnitts passt der ganze Mond ins Bild.
Vergleichbar ist das Heliometer laut Zeilinger auch mit jenem Fernrohr, mit dem der Zwergplanet Pluto erstmals dokumentiert wurde. "Für Besucher ist das eine einmalige Chance, Originalinstrumente zu sehen, die auch noch funktionieren."
Gründung: Die Kuffner-Sternwarte wurde vom jüdischen Unternehmer Moriz von Kuffner, dem Besitzer der Ottakringer Brauerei, gegründet.
Zweiter Weltkrieg: Kuffner wurde 1938 aus Österreich vertrieben, das Familienvermögen arisiert und in die Sternwarte zog eine NSDAP-Ortsgruppe ein.
Restitution: Nach dem Krieg erhielt die Familie das Gebäude zurück und verkaufte es an eine Genossenschaft, die Sternwarte drohte jedoch zu verfallen.
Vereinsgründung: Ehemalige Mitarbeiter und Interessierte gründeten einen Verein, um die Sternwarte zu retten und dessen jüdische Geschichte zu bewahren.
Wiederbelebung: Durch Medienarbeit und Führungen gelang es, die Sternwarte zurück ins öffentliche Bewusstsein zu holen. Die Stadt kaufte das Gebäude 1987, lies es restaurieren und vermietete es an die VHS. Der Verein wurde mit einem zeitlich unbegrenzten Nutzungsrecht ausgestattet.
Führungen: Jährlich finden mehr als 300 Veranstaltungen mit rund 2.500 Gästen statt, wie die „offene Sternwarte“ bei freiem Eintritt.
Ermöglicht wurde die Restaurierung durch die Unterstützung von George und Michael Eberstadt, die Urenkel des jüdischen Sternwartegründers Moriz von Kuffner, und einen Zuschuss des Bundesdenkmalamtes. Investiert wurden insgesamt 100.000 Euro.
Ein "kleiner Absturz" und die Angst vor Rostschäden
In Gang gesetzt wurde die schon lang nötige Restaurierung erstens durch "einen kleinen Absturz", als die Bretter des Podiums nachgaben, wie man vor Ort erzählt.

Die Präzisionspendeluhren "Riefler Nr. 3" in der Kuffner Sternwarte
Zweitens hatte man große Sorge wegen Rostproblemen an mehreren Instrumenten: "Wir haben Angst um das Heliometer bekommen, da Elemente schon festgerostet waren" erzählt Wuchterl.
Ein spätes Wunder
Ein Wunder nennt Wuchterl, dass nach langen 90 Jahren alle drei Präzisionspendeluhren wieder zurück in der Sternwarte sind. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde das Vermögen der Kuffners arisiert und die Familie vertrieben.
Die Uhren kamen abhanden, nur eine von ihnen fand auf unbekannten Weg von alleine den Weg zurück in die Sternwarte.

Auch vor der Sternwarte wurde auch ein Teleskop aufgestellt
Nach Recherchen wurden die Kutter- und die Riefler-Uhr in der Universitätssternwarte Wien entdeckt und den Urenkel im Jahr 2022 zurückgegeben, welche die Uhren wiederum der Sternwarte als Dauerleihgabe zur Verfügung stellen.
Benötigt wurden die Uhren für die genaue Messung von Sternpositionen mit dem Meridiankreis, auf deren Grundlage Karten für die Seefahrt erstellt wurden.
Die genauste Uhr Österreichs
In die Riefler-Uhr wurde - vermutlich in den 1960er-Jahren - ein elektronischer "Zeitabnehmer" eingebaut. Ein möglicher Grund dafür: Die Riefler galt als die genauste Uhr Österreichs und diente als Referenzuhr.
Bei der "Offenen Sternwarte" (Mittwoch, Donnerstag, Sonntag) können Besucher die Uhren und nun erstmal in beiden Kuppeln Sterne, Kometen und Planeten beobachten - und das bei freiem Eintritt.
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