Was mit den überschüssigen Christbäumen in Österreich passiert

Wer will mich? Kurz vor Weihnachten war dieses schief gewachsene Exemplar der Familie Sommer um 25 Euro zu haben. Steht es nun in einem  Wohnzimmer?
Jedes zehnte Bäumchen schaffte es am Heiligen Abend nicht in die Wohnzimmer (und die Herzen) der Österreicher. Was passiert nun mit denen, die nicht auserwählt wurden?

Seit 59 Jahren schon verkauft Leopold Sommer bei der Kirche „Alser Vorstadt“ seine Waldviertler Tannen – aber diese eine Begegnung hat er nicht vergessen: Eines Tages, so berichtet der kernige 88-Jährige, sei eine Frau mit einem ganz bestimmten Wunsch zu ihm gekommen: „Ich möchte den schiachsten Baum, denn der soll auch eine Chance haben!“ Noch heute ringt diese weihnachts-wunderliche Episode Herrn Sommer ein Kopfschütteln ab: „So was gibt’s auch nur in Wean . . .“

Sie sind entweder zu kahl, zu dicht, zu groß oder zu klein; sie sind zu breit oder zu dünn, asymmetrisch oder gar schief. Sie sind vielleicht am Verkaufsstand schlecht platziert oder waren am Ende schlichtweg zu viel: Es gibt Tausend Gründe, warum es ein Christbaum heuer nicht geschafft hat, seine eigentliche Bestimmung zu erfüllen – nämlich ein Christbaum zu sein. Und festlich aufgeputzt im Wohnzimmer zu stehen, die Herzen zu erfreuen und die Kinderaugen zum Glänzen zu bringen.

Leopold Sommer (88) vor einem Christbaum

„Eine Frau wollte einmal den schiachsten Baum. So was gibt’s nur in Wean!“ 

Leopold Sommer (88), Waldviertler Tannen

40.000 Übriggebliebene

Aus langjähriger Erfahrung weiß man, dass rund jedem zehnten Bäumchen dieses Schicksal ereilt – das wäre allein in Wien die stattliche Anzahl von 40.000 Ausch(l)uss-Christbäumen. Doch bevor es jetzt allzu traurig wird, sei auch gesagt: Kein Christbaum stirbt umsonst, denn es gibt für die Übriggebliebenen immer eine sinnvolle Verwendung.

Wenn die Familie Sommer am Nachmittag des Heiligen Abend die Heimreise nach Pöggstall (Bezirk Melk) antritt, dann hat sie die meisten ihrer unverkauften Nordmanntannen wieder mit im Gepäck. Für diese geht es dann ab in die Hackschnitzelanlage, mit der das gesamte Anwesen – inklusive Häuser der Kinder – beheizt wird. Die Bäume wärmen damit zwar nicht die Herzen, dafür die Zehen.

Und für jene, die zwar nicht als Ganzes, aber dafür in Teilen „sehr gefallen“ (wie es im Lied heißt), gibt es eine ganz spezielle Verwendung: „Das Reisig liefern wir etwa zum Lederleitner bei der Börse. Die machen dann wunderschöne Sachen draus“, schwärmt Herr Sommer. Als Gesteck beim Nobel-Designer zu landen, ist wohl auch kein schlimmes Ende für den Leider-nein-O-Tannenbaum.

„Reisig machen“, wie es im Fachjargon heißt, ist die häufigste – und einträglichste – Baumrecycling-Methode. „Wir beliefern auch viel die Gärtnereien, die dann etwa Kränze draus basteln“, erzählt Josef Reithner, Obmann der NÖ-Christbaumbauern. Außer einem solchen „Leben nach dem Tod“ ist auch eine animalische Verwertung Usus: Die eigenen Tiere im Stall – schließlich wärmten ja Ochs und Esel in der Krippe das Jesukind – würden sich ebenso über einen aufgestellten Christbaum freuen wie die Tiere in Schönbrunn über ein weihnachtliches Festmahl. „Für Elefanten, Giraffen und Zebras ist das eine Delikatesse. Die Knospen und Nadeln haben ja viele wertvolle ätherische Öle“, sagt Reithner, der vom Jauerling kommend vor dem Palais Liechtenstein seinen Stand hatte. 

Für den großen Christbaum-Rest wartet dann die Biogasanlage – es entsteht also wiederum Wärme oder Strom. Diesen letzten Gang nehmen übrigens dann auch alle Wiener Bäumchen, die spätestens zu Dreikönig vom glänzenden Star zum lästigen Nadellieferanten mutiert sind und dann flugs entsorgt werden.

Schiefer Haussegen?

Gegen die Launen der Natur, die manche zu „besonderen“ Exemplaren macht, kann übrigens der beste Bauer nichts tun – außer sie dann billiger als „2er-Qualität“ anzubieten. So hat Reithner letztens einen Baum mit vier Wipfeln („normal absolut unverkäuflich!“) genauso angebracht wie eine nur halbseitig grünende Tanne ohne Astwuchs hinten. „Die hatten wir irrtümlich mitgenommen. Aber eine Kundschaft hat gesagt: ,Der ist optimal, da brauchen wir nichts wegzwicken!‘.“ Ob das schiefe Gewächs dann auch für einen schiefen Haussegen gesorgt hat, ist nicht überliefert.

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