Groß-Jedlersdorf nach der Wahl: Blaue Hochburg im Roten Wien

Bezirksvorsteher Georg Papai (SPÖ) zeigt sich am Montagvormittag absolut erleichtert. Sein freiheitlicher Herausforderer Karl Mareda wird ihn nicht beerben, wird wie vor der Wahl im KURIER angekündigt künftig Selbiges tun wie sein FPÖ-Kollege Paul Stadler in Simmering: jetzt an die Jugend übergeben.
Weniger entspannt sind Papai und seine Genossen mit einem Blick auf die Wahlsprengel in Groß-Jedlersdorf. Dort haben die Blauen erneut Ergebnisse bis zu 45 Prozent geschafft. Seit Jahren schon trauern die Sozialdemokraten ihren absoluten Mehrheiten in den Gemeindebauten zwischen der Siemensstraße und der Carabelligasse nach.
Ihr Chef, Bürgermeister Michael Ludwig, erinnert sich gerne an seine unbeschwerte Jugend in der Justgasse. Zwei Drittel der Nachbarn wählten damals die SPÖ. Das ist lange her. Man habe hier Fehler bei der Wohnungsvergabe gemacht, gestand Ludwig noch als Wohnbaustadtrat ein. Man habe zu wenig auf soziale Durchmischung geachtet.

Ruhe nach der Wahl
Der Montag nach der Wahl ist nicht anders als der Montag vor der Wahl: Es ist ruhig in den Höfen. Die nahe Brünner Straße scheint hier ganz weit entfernt. Die Singvögel sind aktiv in Bäumen und Sträuchern, auch Eichkätzchen und Igel sind zugegen.
Auch nicht anders ist, dass Mieter und Mieterinnen ihren Unrat nicht zum Gratis-Mistplatz führen, sondern der Bequemlichkeit wegen in den Höfen und Kellern ablagern. Das Leid tragen Mitarbeiter der Müllabfuhr tonnenschwer davon. Die Entschuldigung, dass man kein Auto besitzt, gilt übrigens nicht. Selbst an einem Montag sind viele Parkplätze besetzt.
Journalisten haben es in diesem Setting schwer, sind sie doch frei nach Donald Trump und der AfD Vertreter der Lügenpresse. Immerhin, hinter vorgehaltener Hand empört man sich dann doch, folgt dabei weitgehend der Kritik der FPÖ: Asylmillionen, böse SPÖ, die heute keine Arbeit und keine Wohnungen mehr vergibt (nicht so wie früher), böse Grüne, die das Auto ganz verbannen wollen.
In den 1950er-Jahren fand die Siedlung in Groß-Jedlersdorf internationale Beachtung und Anerkennung, auch aufgrund der sozialen Standards, wie Historiker des Wien Museums berichten.
Vor einigen Jahren schon wurden die Wohnpartner von der Stadt Wien beauftragt, das Miteinander in den hiesigen Gemeindebauten zu verbessern. Keine einfache Aufgabe, ihre Erfolge sind daher laut Insidern überschaubar.
Rar wie seltene Erden
Die Grätzl-Sozialdemokraten trösten sich am Montag nach der Wahl damit, dass es vor zehn Jahren noch eindeutiger war. Ein fast hoffnungsloser Optimist sagt dem KURIER: „2015 haben die Blauen 66 Prozent bekommen. Und jetzt haben wir in einem Sprengel sogar elf Kommunisten und sieben, die die Neos gewählt haben.“
Apropos: Die Wähler und Wählerinnen der Grünen und der ÖVP kennt man hier persönlich, sind sie doch fast so rar wie seltene Erden.
Klarheit: Die wichtigsten Begriffe
Floridsdorf, mit 44,4 km² flächenmäßig der zweitgrößte Bezirk Wiens, ist das Zuhause von 186.233 Menschen. Früher gab es hier viel Landwirtschaft, später entstanden auch Industrie- und Gewerbebetriebe. Dennoch hatte Floridsdorf immer den Ruf, ein Arbeiterbezirk zu sein. Zuletzt kam der Bezirk in die Schlagzeilen, da im Februar am Franz-Jonas-Platz ein Alkoholverbot eingeführt wurde. Bezirksvorsteher ist Georg Papai (SPÖ).
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