Hauptprozess im Fall Anna: 10 Angeklagte heute vor Gericht

Prozess im Fall Anna
Die Angeklagten sollen das Mädchen in Favoriten zwischen März und Juni 2023 zum Geschlechtsverkehr genötigt haben.

Etliche Medienvertreter warten am Donnerstagvormittag vor Saal 303 im Wiener Landesgericht: Zehn Beschuldigte müssen sich im "Fall Anna" wegen geschlechtlicher Nötigung und Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung verantworten. Bei ihrer Ankunft verstecken sie ihre Gesichter.

Bei den Angeklagten handelt es sich um österreichische, türkische, syrische, nordmazedonische und bulgarische Staatsbürger zwischen 16 und 21 Jahren. Einer der jungen Männer soll sich bereits ins Ausland abgesetzt haben. 

Der Gruppe wird vorgeworfen, ein damals zwölfjähriges Mädchen - von den Medien hat sie den Namen "Anna" erhalten - zum Geschlechtsverkehr genötigt und ihre sexuelle Selbstbestimmung verletzt haben. Die Mutter des Opfers ist am Donnerstag ebenfalls vor Ort.

Prozess im Fall Anna

Im Saal gilt Fotografier- und Filmverbot

Die inkriminierten Handlungen fanden in einem Hotelzimmer, in Stiegenhäusern, einem Hobbyraum und zumindest in drei Fällen in der Wohnung eines Angeklagten statt. In zwei Fällen geht es um den Vorwurf der geschlechtlichen Nötigung, in allen anderen um eine angebliche Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung. 

Nicht angeklagt wurde der Vorwurf, die Jugendlichen hätten in Kauf genommen und sich damit abgefunden, dass das Mädchen unter 14 ist. Aufgrund des älter wirkenden Äußeren des Mädchens wurde von der Staatsanwaltschaft kein entsprechender Vorsatz angenommen.

Mehrfach "Nein" gesagt

Das Mädchen soll dabei des Öfteren "Nein" gesagt haben. Da sie laut Anklage aber Angst vor der Gruppe hatte und den Beschuldigten auch körperlich unterlegen war, habe sie den Handlungen nichts entgegengesetzt. 

Öffentlichkeit wohl ausgeschlossen

Sämtliche Angeklagte befinden sich auf freiem Fuß. Die Verhandlung ist auf zwei Tage anberaumt. Es gilt ein Fotografier- und Filmverbot. Über weite Strecken dürfte die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, teilte Gerichtssprecherin Christina Salzborn vorab mit.

Hauptprozess im Fall Anna

Die Angeklagten trafen nach und nach ein.

Es sei "durchaus möglich, dass schon die Einvernahme der großteils jugendlichen Angeklagten oder schon die Verlesung der Anklage unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen wird", hieß es in einer Medienmitteilung. Maßgeblich dafür seien Opferschutzgründe und Bestimmungen im Jugendgerichtsgesetz. Die Entscheidung, ob und inwieweit ein Ausschluss erfolgt, obliegt dem erkennenden Schöffensenat.

In der Causa gab es bereits drei Prozesse. Zwei davon endeten mit Freisprüchen. In einem Fall legte der damals Beschuldigte dem Opferanwalt nach dem Prozess 100 Euro als Schmerzensgeld auf den Tisch. 

"Wut und Hass"

Die Mutter von Anna zeigte sich damals in einem Interview mit dem KURIER entsetzt über dieses Vorgehen: "Als hätte er meine Tochter für ihre Dienste bezahlt. Ich habe meinen Augen nicht getraut. Und dann auch noch die Begründung der Richterin, dass man sich nach einem 'Nein' oft doch durch Zärtlichkeiten überreden lässt ... das waren keine Zärtlichkeiten!" Sie empfinde Wut und Hass, sagte sie.

Hauptprozess im Fall Anna: 10 Angeklagte heute vor Gericht

Die Mutter des Opfers sprach Anfang des Jahres mit dem KURIER.

Im März gab es einen Prozess gegen den Ex-Freund von Anna. Der 18-Jährige wurde wegen schweren sexuellen Missbrauchs Unmündiger, Nötigung und Besitz von Kindesmissbrauchsmaterial schuldig gesprochen. Der junge Mann erhält 15 Monate bedingte Haftstrafe und muss zudem 800 Euro an Anna zahlen. 

Zwei Verhandlungstage angesetzt

Die Beziehung der beiden dauerte von Sommer 2023 bis Jänner 2024. Anna war zum damaligen Zeitpunkt 13 Jahre alt, der Angeklagte 16 - die beiden trennten mehr als 36 Monate voneinander. "Wir waren verliebt", sagte er. "Ich dachte, es ist erlaubt."

Die Urteile in dem aktuellen Fall sollen voraussichtlich am Freitag fallen, es sind zwei Verhandlungstage angesetzt. 

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