Erfundene Erpressungsvorwürfe: Wiener Gericht spricht Brüder frei

Eingang Straflandesgericht Wien
Vermeintliches Erpressungsopfer zog belastende Angaben zurück. Auf den Mann wartet nun eigenes Verfahren.
  • Zwei tschetschenische Brüder wurden in Wien vom Vorwurf der Erpressung freigesprochen, nachdem das angebliche Opfer seine belastenden Angaben zurückzog.
  • Der Zeuge gab zu, die Vorwürfe gegen die Brüder erfunden zu haben, was zu einem Verfahren gegen ihn wegen Falschaussage und Verleumdung führt.
  • Die Brüder wurden sofort nach der Verhandlung enthaftet, ihr Anwalt wird finanzielle Ansprüche gegen den Zeugen geltend machen.

Zwei tschetschenische Brüder im Alter von 23 und 30 Jahren sind am Mittwoch am Wiener Landesgericht vom Vorwurf freigesprochen worden, einen ebenfalls tschetschenisch stämmigen Geschäftsmann massiv unter Druck gesetzt zu haben, um diesem 150.000 Euro abzupressen.

Ein Schöffensenat benötigte für diese Entscheidung eine Beratungszeit von ein paar Dutzend Sekunden, nachdem das angebliche Opfer seine belastenden Angaben im Zeugenstand zurückgezogen hatte.

Er habe die Vorwürfe "selber erfunden", offenbarte der Mann. Die Angeklagten waren seit November in U-Haft gesessen.

Stress mit dem Chef

Auf Vorhalt des vorsitzenden Richters, dass er mit seinen unrichtigen Angaben die beiden beim Fonds Soziales Wien (FSW) beschäftigten Männer ins Gefängnis gebracht hätte, meinte der Zeuge: "Es tut mir leid für die Aussage. Aber es stimmt nicht." Er hätte "zu diesem Zeitpunkt leider zu viel Stress" mit seinem Chef gehabt.

Dem Vorgesetzten des Geschäftsmanns war aufgefallen, dass dieser mit dem Firmen-Pkw zahlreiche Polizeistrafen angehäuft und obendrein einen Unfall verursacht hatte, ehe das Fahrzeug überhaupt verschwand.

Daraufhin erzählte der Mann, die beiden Angeklagten hätten ihm das Fahrzeug als "Pfand" abgenötigt, nachdem er seit längerem von diesen unter Druck gesetzt und erpresst worden sei. Der Chef ging mit dem Mann daraufhin zur Polizei, wo dieser seine Geschichte ausschmückte.

Pistole in den Mund gedrückt  - angeblich

Er behauptete, er sei am 13. September 2024 von den Brüdern in seinem Büro aufgesucht worden. Der Ältere habe ihm eine Pistole in den Mund gedrückt, der Jüngere ein Messer an den Bauch angesetzt. Beide hätten 150.000 Euro zurückverlangt, die er ihrem verstorbenen Vater schulde.

Er sei dann mit Gewalt in die Lobau gebracht und dort mit dem Umbringen bedroht und schließlich dazu gezwungen worden, sein Bargeld zu übergeben sowie der Mutter der Angeklagten rund 1.000 Euro zu überweisen. Bis in den Oktober hinein sei er anhaltend unter Druck und zu weiteren Überweisungen genötigt worden. Als die Brüder mit einem Schlag 9.000 Euro wollten, habe er sich zur Anzeige entschlossen.

"Ich bin nicht bedroht worden", stellte der Belastungszeuge nun klar, "ich habe mit den zwei keine Probleme. Ich habe sie nachher auch privat getroffen."

"Nicht so gelaufen"

Auf die Frage, warum er seine offenbar unrichtigen Angaben aufrechterhalten und nicht viel früher richtiggestellt hätte, behauptete der Tschetschene, dies sei ihm "verweigert" worden: "Leider ist es nicht so gelaufen, wie ich es wollte. Es tut mir leid, weil wir unnötig da sitzen."

Die Staatsanwaltschaft wird gegen den Mann ein Verfahren wegen Falschaussage und Verleumdung einleiten. "Sie werden erhebliche Probleme kriegen", kündigte der zuständige Staatsanwalt dem Zeugen unmissverständlich an.

Sofort enthaftet

Die Freisprüche sind nicht rechtskräftig, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab. Die tschetschenischen Brüder wurden unmittelbar nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. Ihr nunmehriger Verteidiger Nikolaus Rast wird sich dem Verfahren gegen den Belastungszeugen als Privatbeteiligter anschließen und auf diesem Weg finanzielle Ansprüche seiner Mandanten geltend machen. Auch Haftentschädigung könnte noch ein Thema werden.

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