Terrorexperte fordert Bundestrojaner: "Sind auf einem Auge blind"

Eine erhöhte Terrorwarnstufe in Österreich versetzt viele Bürger in Aufregung, besonders wenn man weiß, dass es hierzulande rund 50 bis 70 sogenannte Gefährder gibt, von denen eine konkrete terroristische Bedrohung ausgeht – wie Terrorexperte Nicolas Stockhammer im KURIER-Interview bestätigt.
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So viele Gefährder 24/7 zu überwachen, sei unmöglich: „In praktisch keinem Land in Europa gibt es so viel Personal, dass man 70 Personen rund um die Uhr überwachen könnte“.
Als technisches Hilfsmittel könnte der sogenannte Bundestrojaner helfen – also die Möglichkeit, auch Chatverläufe von Gefährdern polizeilich mitverfolgen zu können. Laut dem Experten erfolgt ein großer Teil der Kommunikation zwischen potenziell gefährlichen Personen über Messenger-Dienste.
Der Verfassungsgerichtshof sieht beim Einsatz eines Bundestrojaners aber Datenschutzrechte gefährdet. „Aus Sicht der Terrorismusbekämpfung ist das wahnwitzig. Das heißt, wir sind auf einem Auge blind, und ich meine das nicht ideologisch. Wir bekommen Tipps aus dem benachbarten Ausland, meist aus Deutschland. Dort werden diese Informationen aber mit derselben Methode generiert. Es ist so, als wenn wir sagen, wir kaufen kein russisches Gas, aber kaufen dafür russisches Gas aus Kasachstan“, sagt Stockhammer.
Starke Radikalisierung
Aus dem Terroranschlag in Wien 2020 hätten die österreichischen Behörden laut Stockhammer gelernt. Die neu gegründete Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst kann mittlerweile „in die Tiefen des Apparates“ hineinschauen – und das sei eine positive Entwicklung, was in diesen Tagen aber auch essenziell sei: „Wir haben seit der Pandemie eine erschreckend hohe Radikalisierung in allen Bereichen wie Linksextremisten, Rechtsextremisten, Islamisten, Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger, Staatsleugner – das erhöht die Gefahr von Terror“, sagt Stockhammer.
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Ob Angst und das Vermeiden von Menschenansammlungen oder Veranstaltungen gerechtfertigt seien, beantwortet Stockhammer mit „Nein“. Man sollte aber bedachter sein und reflektieren, wo man hingeht und in welchem Umfeld man sich bewegt.
Prinzipiell sei die Erhöhung der Terrorwarnstufe aber vor allem eines – eine Warnung an die Gefährder: „Es zeigt, dass wir uns vorbereiten. Es gibt mehr Polizei und militärische Präsenz, es gibt bewaffnete Kräfte im öffentlichen Raum, die intervenieren können. Das wirkt natürlich schon abschreckend“, sagt Stockhammer.
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