Das Geschäft mit der Pfandflasche: Profi-Sammler auf der MaHü

Ein ganz normaler Mittag in der Mariahilfer Straße. Geschäftiges Treiben herrscht in der Einkaufsstraße, Bauarbeiter stehen neben ihren Fahrzeugen. Vor dem Kaufhaus Gerngross haben zwei Obdachlose ihr Lager aufgeschlagen. Ein Straßenkünstler packt seinen Wagen zusammen, legt sich den Spazierstock auf den Kopf, einer der beiden Männer mit Smiley-Pullover klatscht. Unterdessen machen sich drei Leute recht professionell an den Mistkübeln in der MaHü zu schaffen.
Die Frau in Jeans und ärmelloser weißer Jacke über dem dunklen Pullover geht selbstsicher mit passendem Schlüssel von „Abfallhai“ zu „Abfallhai“, wie diese Mistkübeln im Jargon der MA 48 genannt werden.
Sie sperrt auf, öffnet die Türe und geht weiter. Dann treten ihre zwei Kumpanen auf, einer durchsucht den Mistkübel, der andere hält den Rucksack auf. Sobald eine Pfandflasche oder eine Dose gefunden wird, landet diese in dem Rucksack. Professionelle Pfandsammler, von denen kaum jemand Notiz nimmt.
In knapp 30 Minuten haben die drei Sammler sicher 30 Pfandflaschen gefunden. Macht 7,50 Euro für eine halbe Stunde Arbeit. Wie viel an einem Tag „drinnen“ ist, lässt sich nicht sagen. Denn noch ist weder bekannt, wie viele Pfandflaschen im Müll landen, noch, wie hoch die Rückgabequote tatsächlich sein wird.
Seit Jänner 2025 sind in etwa 255 Millionen Pfandgebinde in Umlauf, davon wurden rund 36 Millionen Flaschen und Dosen zurückgegeben. Der Unterschied zwischen in Umlauf gebrachten und retournierten Gebinden ist dabei nicht ungewöhnlich: Von der Erstinverkehrsetzung bis zur Rückgabe der Dosen und Flaschen erfolgen mehrere Schritte.
An 13.000 Stellen in Österreich können Pfandgebinde zurückgegeben werden. In Wien wurden im ersten Quartal 8,9 Millionen Gebinde retourniert.
Nicht von der MA 48
Bei der MA 48 ist dieses Thema noch nicht aufgeschlagen, begeistert sei man nicht darüber, sagt eine Sprecherin, die aber betont: „Groß angelegte Aktionen von Pfandsammlern sind uns bis dato nicht bekannt.“
Sofern beim Durchsuchen der Papierkörbe keine Verunreinigungen rund um die Behälter zurückbleiben, würden diese „Pfandsammler“ dem Personal nicht auffallen. Sollte jemand beobachtet werden, dass er beim Durchstöbern von Mistkübeln Müll hinterlässt, könnten die Wiener Waste-Watcher auch Strafen verteilen.
Müll entnehmen ist de facto Diebstahl
De facto ist das Entnehmen von Gegenständen aus einer Mülltonne sogar ein „Diebstahl“, denn mit dem Einwerfen in die Tonne geht der Gegenstand in das Eigentum der MA 48 über, egal ob es ein Gegenstand mit Pfand ist oder ohne.
Die „Mistkübler“ der MA 48 betätigen sich beim Entleeren dieser Mülltonnen übrigens als „Mülltrenner“. Denn Plastikflaschen und Dosen werden extra im Müllauto abtransportiert.
Was die MA 48 nicht macht: Explizit nach Pfandgebinden zu suchen, um diese zu Geld zu machen. Das bestätigt auch die MA 48: „Eine Trennung der Pfandgebinde ist derzeit nicht geplant, da alle PET-Flaschen und Dosen aus den öffentlichen Papierkörben ohnehin getrennt und über die Gelbe-Sack-Sammlung dem Recycling zugeführt werden.“
In den ersten drei Monaten seit Einführung des Pfandsystems wurden 255 Millionen Pfandgebinde in Umlauf gebracht, bisher wurden erst 36 Millionen Stück wieder zurückgegeben. Im ersten Jahr soll ein Rücklauf von 80 Prozent erreicht werden, dieser soll sukzessive auf 90 Prozent gesteigert werden. Die illegalen Müllsammler tragen jedenfalls zu dieser Steigerung bei – wenn auch nicht im ursprünglichen Sinne des Erfinders.
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