Keine Durchimpfungsraten: Blindflug bei Masern, Diphtherie und Co.

Es ist einer der möglichen zahlreichen Kollateralschäden der Corona-Pandemie: Aufgrund der erbittert geführten Debatte rund um die Covid-Immunisierung und der pandemiebedingt geringeren Zahl an Arztbesuchen dürfte auch die Durchimpfungsrate bei den klassischen Schutzimpfungen (von Masern über Tetanus bis hin zu Keuchhusten) gesunken sein. So lautet zumindest eine verbreitete Annahme.
Die Neos wollten es genauer wissen und richteten eine entsprechende Anfrage an Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Mit ihr wollten sie detailliert erfragen, wie sich die Durchimpfungsrate bei einem guten Dutzend Impfungen (jeweils Erst- und Auffrischungsimpfungen) bei Kindern von 0 bis 6 und von 6 bis 15 Jahren im Verlauf der Jahre 2015 bis 2022 in den einzelnen Bundesländern entwickelt hat.
Nun liegt die Antwort vor. Wobei es sich eigentlich um eine Nicht-Antwort handelt. Denn das Ministerium kann die gewünschten Daten nicht liefern: Sie werden nicht verpflichtend im e-Impfpass eingetragen, „dementsprechend werden die Werte zu den Durchimpfungsraten nicht flächendeckend erhoben“, heißt es in der Beantwortung.
Das verwundert, da bei einer fast gleichlautenden Anfrage aus dem Jahr 2020 sehr wohl detaillierte Daten geliefert werden konnten.

Johannes Rauch (Grüne)
Daraus geht zum Beispiel hervor, dass zwischen 2012 und 2019 die Meningokokken-Durchimpfungsrate (Erstimpfung) bei den Sechs- bis 15-Jährigen von 94 auf 54 Prozent gesunken ist.
Nur Hochrechnungen
Doch dabei handle sich um keine exakten Werte aus dem e-Impfpass, sondern um Prognosen und Hochrechnungen (etwa aus der Abgabe von Impfstoff-Dosen im Rahmen des öffentlichen Kinderimpfprogrammes), betont man im Ministerium auf KURIER-Nachfrage. Solche werden auch auf der Homepage des Ministeriums veröffentlicht, worauf man in der aktuellen Anfrage-Beantwortung verweist.
Sehr wohl verpflichtend im e-Impfpass dokumentiert ist die Corona-Impfung, jene gegen Affenpocken und (seit der Saison 2020/21) jene gegen die Influenza. Exakte Influenza-Durchimpfungsraten liegen dennoch nicht vor. Die Eintragungen seien „derzeit noch unvollständig und können für die Angabe von korrekten Durchimpfungsraten folglich noch nicht herangezogen werden“, beteuert das Ministerium in der Beantwortung. Man vertröstet auf die kommenden Saisonen: Dann soll durch die weitere Ausrollung des e-Impfpasses die Datenqualität besser werden.
Keine Daten zu Schulimpfungen
Gar keine Daten liegen auch über die Zahl der an den Schulen verabreichten Impfungen vor, weil man nicht weiß, wie viele der abgerufenen Impfungen tatsächlich in den Bildungsstätten oder doch im niedergelassenen Bereich verabreicht werden. „Dies wird in den Bundesländern unterschiedlich organisiert und umgesetzt“, heißt es in der Beantwortung.
Bleibt die Frage, wann alle Impfungen verpflichtend in den e-Impfpass eingetragen werden müssen, wodurch man endlich ein exaktes Bild über den Impfstatus der Bevölkerung erhalten würde. In der Beantwortung wird betont, dass dies für den Vollbetrieb vorgesehen sei, der genaue Zeitpunkt dafür stehe aber noch nicht fest.
Zur verpflichtenden Dokumentation weiterer Impfungen müsse noch eine politische Diskussion geführt werden, da dafür auch rechtliche Grundlagen angepasst werden müssten, sagt der Rauch-Sprecher. Etwa, ob dies im öffentlichen gesundheitspolitischen Interesse liegt oder ob die bestehenden Hochrechnungen aufgrund der vorliegenden Impfstoffbestellungen für die öffentliche Gesundheitsvorsorge nicht ausreichen.
Neos: "Unverantwortlich"
Angesichts der steigenden Impfskepsis fordern hingegen die Neos von der Regierung ein rasches Verfügbarmachen einer soliden Impf-Datenbasis.

Fiona Fiedler (Neos)
„Neue Instrumente wie den e-Impfpass nicht einmal nutzen zu wollen, um bisherige Impfungen zu erfassen, ist unverantwortlich“, sagt Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler. „Impfungen können Leben retten, deshalb müssen wir auch wissen, wie sich der Impfstand in der Bevölkerung entwickelt.“
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