Blumen auf Beton: Der Picasso mit dem Zweirad

Erich Schaber in Action auf dem Rathausplatz.
Erich Schaber (79) „radelt“ Blumen auf den Asphalt. Am Wochenende präsentiert er seine weltweit einzigartige Kunst beim Bike-Festival.

Als es in Europa das Wort „Renaturierung“ noch gar nicht gab und Wien noch fleißig jene Flächen zubetonierte, die nun mühsam und teuer wieder aufgerissen werden, da hat er schon unermüdlich entsiegelt, begrünt und behübscht. Und das auch noch mit seinem Fahrrad.

Natürlich nur metaphorisch. Doch das, was Erich Schaber seit 1992 als Aktionskünstler macht, war wohl nie modernen und zeitgemäßer als genau jetzt: Er malt, nein, er zaubert mit seinem Rad Blumen auf den Asphalt – und zugleich ein Lächeln in die Gesichter der entzückten Zuschauer. Am Wochenende beim Argus-Bike-Festival auf dem Wiener Rathausplatz bekommt der gebürtige Oberösterreicher daher eine große Bühne vor Tausenden Zuschauern. Zumal er laut Veranstalter der Einzige weltweit ist, der diese Technik beherrscht.

Rad Kunst

Man muss wirklich gesehen haben, was Schaber mit seinem speziell angefertigten Kunstrad da vollführt, um den selbst kreierten Terminus „Fahrradgrafik“ fassen zu können: Zunächst fährt er durch eine (künstliche) Wasserlacke, um die Radmäntel vollständig zu benetzen – ehe er nur mit dem Hinterrad (also per Wheelie) den Stängel der Blume auf den Asphalt bannt. Dann klatscht er mit dem Vorderrad auf den Boden, damit sich so die Staubgefäße bilden; danach zirkelt er behände Blütenblatt um Blütenblatt aufs Parkett – ehe nach wenigen Sekunden die Blume schon fertig ist. „Und dann muss ich neu auftanken und kann mit der nächsten Blume beginnen. So entstehen dann ganze Sträuße“, sagt Schaber.

Blumen auf Beton: Der Picasso mit dem Zweirad

Wasserblume auf Beton.

Blumen auf Beton: Der Picasso mit dem Zweirad

Radspuren auf Leinwand mit farblicher Nachbearbeitung.

Sein liebster Trainingsort in Wien ist der Karlsplatz, etwas abseits des Rummels beim großen Brunnen. Legt Schaber dort mit seinem violetten Overall („Weil violett in der Natur am seltensten vorkommt“) los, tauchen bei Jung wie Alt nicht nur die Smartphones blitzartig auf, sondern die immergleichen drei Kardinalfragen: Wie alt sind Sie? Wie lange machen Sie das schon? Wie kommt man auf diese Idee? 

Faszinosum Radartisten

Und genau das, will nun auch der KURIER wissen. Der auf der Wieden und in Krems lebende Ex-Lehrer und vielseitig aktive Künstler ist 79. „,Respekt!‘, sagen dann alle Zuschauer, wenn ich ihnen das mitteile.“ Erstmals aktiv war er im öffentlichen Raum vor 33 Jahren, nachdem er schon als 9-Jähriger von den Radartisten auf dem Rieder Volksfest fasziniert war. „Irgendwann ist mir bewusst geworden, dass ich mit dem Rad als Künstler Spuren hinterlassen kann.“ Und Blumen boten sich nicht nur wegen der Geometrie des Rades, sondern auch ob der Message an. „Die zentrale Botschaft ist natürlich: Blumen statt Beton“, sagt Schaber. Erstere seien zudem ein universelles Symbol, auf das der Mensch sofort anspringe: „Die Blume steht da, es lacht die Seele.“

Doch es ist auch eine sehr vergängliche Kunst, da Schaber vorzugsweise mit (Regen-)Wasser malt, sind seine Sträuße nach wenigen Minuten schon wieder in die Atmosphäre entschwunden. Selbst das Abfotografieren überlässt er dem Publikum: „Mir genügt der Augenblick! Meine Kunst ist harmlos, natürlich und umweltschonend.“ Wobei für den „Picasso mit dem Zweirad“ auch die so entstehenden Begegnungen mit den Zusehern ein wichtiger Teil der Aktion sind. "Und es gab auch nie Anfeindungen oder böse Worte", ergänzt er.

Ums Geld geht es ihm gewiss auch nicht, wiewohl er seine Werke auch mit Farbe großflächig auf Leinwand bringen und für 300 Euro das Stück verkaufen kann. „Damit sind aber gerade einmal Material und Aufwand abgedeckt.“ 

Eine Frage der Balance

Bleibt die Frage, wie man so ein Gleichgewichtsgefühl in diesem Alter zusammenbringt. Als aktiver Snowboarder und Telemark-Skifahrer sei das kein Problem, meint er. „Ausgleich und Balance ist mir aber auch wichtig im Denken, in der Malerei und in der Partnerschaft.“ Das Fest zur Goldenen Hochzeit mit Ehefrau Elisa verhinderte 2020 Corona. Dafür wird nächstes Jahr Schabers 80er groß gefeiert. Dann gibt es sicher Blumen – echte, und nicht aus Wasser und Stein

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