Berufsrettung feiert: Seit 144 Jahren wird „alles gerettet“

Alte Ansicht des Ringtheater-Brandes
Am Tag nach dem Ringtheaterbrand am 8. Dezember des Jahres 1881 wurde der Weg für die Berufsrettung in Wien geebnet.

„Alles gerettet“. Dieser falsche wie legendäre Ausspruch von Polizeirat Anton Landsteiner ist der Titel eines Theaterstücks von Helmut Qualtinger und Carl Merz, das heuer in den Kasematten in Wiener Neustadt beim Theaterfestival Wortwiege gezeigt wurde und im März 2026 wieder am Spielplan steht.

Dabei geht es um den Brand des Ringtheaters am 8. Dezember 1881. Jacques Offenbachs Stück „Hoffmanns Erzählungen“ wollten 1.760 Menschen sehen, zumindest 384 sollten den Abend nicht überleben. Sie kamen beim katastrophalen Feuer in der erst sieben Jahre alten Oper am Schottenring – wo heute die Landespolizei Wien steht – durch eine Verkettung aus Schlamperei, Feigheit, Nachlässigkeit und Spardruck ums Leben.

Historische Ansicht von Jaromir Freiherr von Mundy

Der Gründer der Berufsrettung, Jaromir Freiherr von Mundy.

Brand als Initialzündung

Tags darauf wurde Jaromír Freiherr von Mundy mit Graf Eduard Lamezan-Salins und Graf Johann Wilczek erneut am Wiener Magistrat vorstellig. Lange schon wollte der Arzt für Psychiatrie (damals noch „Irrenkunde“) und Gerichtsmedizin ein Rettungssystem in Wien etablieren, weil nur ungeschulte Männer Verletzte durch die Stadt gekarrt haben. Viele Jahre war Mundy erfolglos.

An diesem Tag aber, so erzählt es Erich Müllner, der Kurator des Museums der Wiener Berufsrettung, das in der Rettungsstelle Hernals eingerichtet ist, ist zwar längst nicht „alles gerettet“, aber zumindest alles anders. 

Erich Müllner mit der Fahne der Berufsrettung Wien.

Erich Müllner mit der Fahne der Berufsrettung Wien.

Denn angesichts der Tragödie im Ringtheater, die auch durch das Fehlen einer professionellen Rettungsorganisation dieses Ausmaß angenommen hat, gibt es diesmal die Genehmigung. Die „Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft“, WFRG, ist gegründet. Später wird aus ihr die Wiener Berufsrettung.

Das Wappen "Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft"

Das Wappen "Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft".

Die „Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft“, WFRG, ist gegründet. Später wird aus ihr die Wiener Berufsrettung.

144 bringt die Rettung

Diese ist heute, 144 Jahre später, die einzige Berufsrettung Österreichs und zählt rund 960 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – der Frauenanteil liegt bei zwölf Prozent.

Müllner, übrigens der einzige Freiwillige in der gesamten Organisation der Berufsrettung, hat einen sehenswerten Überblick über die Geschichte der Berufsrettung zusammengestellt. 

Sein umfangreiches historisches Wissen teilt er gerne. Mundy habe vorerst nur Medizinstudenten gesucht, um seine Organisation aufzubauen. Frauen war es zu dem Zeitpunkt noch nicht gestattet, Medizin zu studieren, das war erst ab 1900 erlaubt. 

Historisches Bild der Berufsrettung Wien, Sanitäter mit Trage.

Historisches Bild der Berufsrettung Wien, Sanitäter mit Trage.

Am 1. Mai 1883 wurde die erste Station der Vorgängerorganisation der Berufsrettung am Fleischmarkt 1 eröffnet.

Der erste Einsatz der Berufsrettung

Und schon am 2. Mai gab es den ersten dokumentierten Einsatz: Ein Kellner war im Stephanskeller am Stephansplatz zusammengebrochen und musste gerettet werden.

Einsatz in den Anfängen der Berufsrettung.

Einsatz in den Anfängen der Berufsrettung. 

Aller Anfang ist schwer – das musste auch der Gründer erfahren. „Die Ärzte waren nicht überzeugt“, weiß Müllner. Dennoch wurde 1886 ein erster Ärztenotdienst etabliert – mit 23 Ärzten und 20 Hebammen für das damalige Wien, das schon rund 1,2 Millionen Einwohner zählte. 

Die Einsätze erfolgten mit Rettungskutschen und Holztragen. 1905 wurde das erste Rettungsauto in Betrieb genommen, 1906 kamen vier Elektroautos dazu, die ohne Gummireifen auf dem harten Pflaster unterwegs waren.

Historisches Bild mit Kaiser Franz Joseph.

Kaiser Franz Joseph unterstützte die Berufsrettung. 

Kaiserliche Unterstützung

Kaiser Franz Joseph war sehr an der Rettungsorganisation interessiert, er stellte Pferde für die Kutschen zur Verfügung, auch den Platz für die neue Zentrale in der Radetzkystraße, wo die Rettung in dem markanten Bauwerk immer noch beheimatet ist.

Es folgt eine bewegte Zeit, bis die Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft 1938 aufgelöst und Teil der Feuerschutzpolizei wird. 1940 wird der „Rettungsdienst des Reichsgaues Wien“ ins Gesundheitsamt der Stadt integriert, 1946 kommt sie zur MA 17, 1991 wird sie zur MA 70. Erst 2014 bekommt die Berufsrettung Wien ihren heutigen Namen.

Die erste Rettungsstelle am Fleischmarkt.

Die erste Rettungsstelle am Fleischmarkt. 

Beste Ausbildung

Heute haben die meisten Notfallsanitäterinnen und –sanitäter die höchste Ausbildungsstufe, 40 Prozent verfügen über die Notfallkompetenz Intubation und Beatmung. 

In den Anfängen wurde mit Brieftauben kommuniziert, heute bewältigt die Wiener Rettungsleitstelle mehr als 370.000 Notrufe pro Jahr. Daraus resultieren rund 188.000 Einsätze im Jahr 2024.

Intubation ca. 1965.

Intubation im Notarztwagen heute.

Dabei legt die Berufsrettung mit den teils rollenden Mini-Spitälern fast drei Millionen Kilometer zurück, sie hat zwölf Rettungsstationen und sieben Standorte für Notarzt-Einsatzfahrzeuge, auch der Rettungshubschrauber Christophorus 9 wird bedient.

An den Ringtheaterbrand, die Katastrophe, die zur Gründung der Berufsrettung geführt hat, reichen die bewältigten Einsätze seither nicht mehr heran – wobei etwa der Rettungseinsatz nach dem Tsunami in Thailand 2004 die Wiener Rettungskräfte, die zur Unterstützung angefordert wurden, enorm gefordert hat.

Und noch ein besonderes Detail gibt es aus 144 Jahren Berufsrettung zu erzählen: Der schwerste Patient, den die Sanitäter zu betreuen hatten, war der Sohn eines Scheichs, der 486 Kilo auf die Waage brachte. Als er das Land wieder verließ, war er nur noch halb so schwer.

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