Neue Wiener Bauordnung: Auf dem Weg in die neue Gründerzeit

Neue Wiener Bauordnung: Auf dem Weg in die neue Gründerzeit
Die fertige Novelle liegt vor und soll bis Jahresende kundgemacht werden. Viel Lob gab es vom Wiener Klimarat.

Es war ein langer Prozess, der nun weitgehend abgeschlossen ist: die Novellierung der Wiener Bauordnung. Am Donnerstag präsentierten SPÖ-Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál und Neos-Wohnbausprecherin Selma Arapovic das fertige Regelwerk. Wobei: Viel hat sich seit dem Anfang des Sommers vorgelegten Begutachtungsentwurf nicht mehr getan (der KURIER berichtete).

Gleichwohl Gaál voll des Lobes für die 163 eingelangten Stellungnahmen war: Diese wären „durchwegs positiv“ gewesen; und wenn es Kritik gab, dann „konstruktiv“. Was freilich nicht heißt, dass diese auch Niederschlag im Regelwerk fand, denn geschraubt wurde nur mehr an wenigen Details.

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Die größte Änderung im Vergleich zum Begutachtungsentwurf gibt es im Bereich des deutlich ausgebauten Altbauschutzes.

Hier werden die Gutachter, die künftig die „wirtschaftliche Abbruchreife“ bestätigen müssen, nun von der Baupolizei bestellt und nicht vom Antragsteller.

Weniger Parkplätze nur ein erster Schritt

Einwände, der Bestandsschutz würde zu unflexibel ausgelegt und konterkariere ökologische Zielsetzungen, blieben indes ungehört – wie auch die Kritik an der neuen Stellplatzverpflichtung.

In Zonen mit guter Öffi-Anbindung müssen künftig zwar weniger Parkplätze als bisher errichtet werden, doch immer noch mehr, als sich viele wünschen würden. Gaál und Arapovic warben für Verständnis: Man gehe nun den ersten Schritt; an den Stellschrauben, also den konkreten Zahlen, könne man bei Bedarf weiter drehen.

Die neue Stellplatzverpflichtung sei „ein großer und großartiger Schritt in die richtige Richtung", den sie sich nicht kleinreden lasse, sagte Arapovic.

Grüne hätten sich weitergehende Maßnahmen gewünscht

Die politische Kritik an der Novelle hält sich im Großen und Ganzen in Grenzen. Zwar gibt es eine lange Wunschliste der Grünen, die von einem kompletten Entfall der Stellplatzverpflichtung sowie wirtschaftlicher Abbruchreife über eine noch strengere Reglementierung der Kurzzeitvermietung bis zu erweiterten Pflichten bezüglich Photovoltaik-Errichtung und Heizungsdekarbonisierung im Bestand reichen.

Einige Schritte in die richtige Richtung werden jedoch anerkannt bzw. auch der eigenen Hartnäckigkeit zugeschrieben: „Einiges wäre nicht enthalten, hätten wir nicht entsprechenden Druck gemacht“, sagt Wohnbausprecher Georg Prack.

Keine frische Luft in der Flächenwidmung

Ein umstrittenes Thema sind auch immer wieder die Frischluftschneisen, die im Sommer kühle Luft aus dem Wienerwald in die Stadt leiten und angesichts des Klimawandels immer wichtiger werden. Nicht nur die Grünen hätten sich eine Verankerung dieser Kaltluftkanäle in den Flächenwidmungsplänen gewünscht.

Man habe sich jedoch dagegen entschieden, da diese Fragen nicht erst im Bau-, sondern bereits im Planungsverfahren berücksichtigt werden müssten, sagte Christina Pass-Dolezal, Leiterin der für das Baurecht zuständigen MA 64.

Vorbereitung für eine neue Gründerzeit

Voll des Lobes für die Novelle war Robert Lechner, Bauexperte und Mitglied des Wiener Klimarates, der „extreme Bemühungen“ erkannte. „Wir stehen vor einer neuen Gründerzeit, die uns ein vollkommenes Umdenken abverlangen wird, was das Bauen und Organisieren von großen Städten betrifft“, sagte der Gründer des Ökologie-Institutes.

Solche Gründerzeiten müssten jedoch mittels klarer, rechtlicher Ansagen „gut vorbereitet sein“, und das tue die Stadt mit der vorliegenden Novelle.

„Eine Bauordnung ist dann gut, wenn sie Dinge ermöglicht“, so Lechner. Wien fahre jetzt „die Systeme hoch“ – wo man nachbessern müsse, das werde man in einigen Jahren sehen.

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