Das Kuvert, das Leopoldine Plesch im Postkasten gefunden hat, ist mit einem „Alles Gute“-Pickerl beklebt. Darin findet sich eine Karte mit glitzernden Schmetterlingen darauf. Glückwünsche für Plesch stehen drin, Gesundheit wird ihr gewünscht und es wird ihr gedankt.
Solche Karten hat sie in den vergangenen Wochen zuhauf bekommen, erzählt sie. Denn Plesch geht in Pension. Und hat damit für große Enttäuschung im Grätzel gesorgt.
Die 84-Jährige hat fast 55 Jahre lang eine kleine Greißlerei in der Karl-Schwed-Gasse in Liesing betrieben. Alles für den täglichen Bedarf hat es in ihrem Geschäft gegeben. „Viel Wurst, Brot, Zitronen“, sagt Plesch. „Und auch den KURIER und die Krone – das war ganz wichtig.“
Etwas, das es noch gegeben hat, sind Gespräche.
Viele sind einfach zum Plaudern gekommen. Ob sie dann die Hüterin aller Gerüchte im Grätzel gewesen sei? Nein, sagt Plesch. „Es ist nie um das gegenseitige Ausrichten gegangen. Wir haben uns zugehört, uns unterstützt und auch getröstet, wenn es notwendig war.“
Service im Vordergrund
Dass die Greißlerin auf Service setzte, sieht man allein in der Auslage. Unter anderem ist ein Infozettel am Schaufenster angebracht, wo in Liesing die Parkpickerl-Ausnahmezonen zu finden sind. Ansonsten sieht man die unterschiedlichsten Dinge, die sich in den vergangenen fünf Jahrzehnten angesammelt haben. Blumentapeten etwa oder ein Kindersessel, der mit Plüsch in Marienkäfer-Optik überzogen ist.
Damals, als sie begonnen hatte, sei schon alles anders gewesen. „Anfangs war noch sehr viel los“, sagt Plesch. Mit „Anfangs“ meint sie die ersten 30 Jahre. „Da ging das Geschäft sehr gut.“
Mit der Etablierung der großen Supermarktketten hätten diese natürlich Kundschaft abgezogen. Aber auch danach habe sie keine Probleme gehabt. „Viele meiner Kunden sind mit mir alt geworden und weiter einkaufen gekommen.“
Sie habe schon davor ein Geschäft gehabt, ebenso ihre Eltern. Ihre Vorgänger in der Greißlerei dürften hingegen in finanziellen Dingen „ungeschickt“ gewesen sein, wie sie es ausdrückt. „Es war ihnen nicht klar, dass man nicht alles ausgeben kann, was man einnimmt.“
Plesch habe das Geschäft übernommen, ihr mittlerweile verstorbener Mann habe seinen Job aufgegeben, um ihr in der Greißlerei zu helfen. Dass ihr und nicht sein Name auf der Fassade steht, sei nie Thema gewesen. „Der Nachname ist ja derselbe und schließlich war ich diejenige mit dem Gewerbeschein.“
Plesch ist eine Macherin. Das zeigte sich schon als Kind. Damals wollte sie immer so früh in die Schule gehen, dass ihre Mutter sie mit den Worten „Die hat doch noch zu“ davon abhalten musste.
Jetzt will sie sich um ihren Garten kümmern, weil sie nicht mehr in der Greißlerei stehen muss. Wobei das mit dem Müssen so eine Sache ist. Eigentlich wollte die Geschäftsfrau gar nicht in Pension gehen. „Da ich berufstätig war, habe ich nur einen Teil der Pension ausgezahlt bekommen – das war dann für mich mit den steigenden Mieten im Geschäft nicht mehr machbar. Besonders für die älteren Menschen im Grätzel tue es ihr jetzt leid, die jetzt weitere Wege hätten, um ihre Einkäufe zu schleppen.
Wie groß ihr Einfluss in der Umgebung war, zeigt, dass eine eigene Überraschungs-Abschiedsfeier abgehalten wurde, zu der auch Bezirksvorsteher Gerald Bischof (SPÖ) kam. „Großartig, dass es so engagierte Menschen gibt“, sagte er.
Auch wenn das Geschäft geschlossen bleibt, ist Plesch nicht aus der Welt. Mit vielen ihrer Kundinnen und Kunden steht sie weiter in Kontakt und will diese auch zukünftig treffen.
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