Wie die graue DDR-Optik aus dem Augarten verschwand

Der Flakturm im Augarten inmitten einer blühenden Wiese.
Es ist Menschen wie der Stadtplanerin Uschi Schreiber und ihrem Team zu verdanken, dass der Augarten von seinem Grau befreit wurde.
Von Uwe Mauch

36 aufregende Jahre auf 547 großformatigen Seiten: Uschi Schreiber ist selbst ziemlich überrascht, während sie in dem von ihr herausgegebenen Buch „Im Radius“ blättert.

„Ja, diese Fülle ist schon erstaunlich“, sagt die Raum- und Stadtplanerin über den großen Aktionsradius, der von der gleichnamigen Stadtteilinitiative ausgeht. „Es ist auch für mich spannend zu sehen, was in den 36 Jahren alles umgesetzt wurde.“

„Wie ausgestorben“

Im Veranstaltungsraum des „Aktionsradius Wien“ am Gaußplatz hat sie an diesem Vormittag Ruhe, um sich noch einmal an die Anfänge zu erinnern: Die gebürtige Mühlviertlerin aus Perg hat eben erst ihr Studium an der Technischen Universität Wien abgeschlossen. Die Berliner Mauer steht noch. Und der Augarten hat mit all seinen grauen Mauern und grauen Gestalten zumindest optisch mehr mit der DDR zu tun als die anderen Bundesgärten in Wien: „Der Augarten war wie ausgestorben. Es gab Leute, die sich gefürchtet haben, den Park zu betreten.“

Ein perfektes Terrain für eine Akademikerin, die als Gebietsbetreuerin im Auftrag der Stadt Wien vor allem an das Gute in den Menschen der Brigittenau glaubt.

Stadtplanerin Uschi Schreiber steht vor ihrem Büro am Gaußplatz.

Sie engagiert sich seit 36 Jahren für einen lebenswerteren Stadtteil: die Planerin Uschi Schreiber am Gaußplatz. 

Das Problem ist nur: Die Menschen in der Brigittenau glauben nicht an das Gute der Akademikerin vom Land, die es noch dazu wagt, mit einem „Piefke“ aufzukreuzen. Der muss sich sogar anhören, dass er sich „schleichen“ soll – aus ihrem schönen Augarten.

Kein Grausplatz mehr

Viel ist seither passiert: Der Augarten war zuletzt sogar im Rennen, einer der neun Schätze von Österreich zu werden. Und in der Bäckerei vis-à-vis vom „Aktionsradius“ sitzen oft mehr Deutsche, die meisten Studenten, als jene, die hier geboren wurden und vielfach Serbisch sprechen.

Dafür zu danken ist nicht den grauen Grantlern. Es ist das große Verdienst von Uschi und Dieter Schreiber, Robert Sommer, Irmi Egger und vielen anderen.

Dass auch der Gaußplatz kein Grausplatz mehr ist, hat ebenso mit dem langen Atem der Aktionsradius-Leute zu tun. Uschi Schreiber hat in der Zwischenzeit die Seite 499 ihres smarten Wälzers aufgeblättert. „Letztendlich“, resümiert sie, „ist uns schon ein bisschen etwas gelungen, aber es war zeitweise schon ein sehr zäher Prozess.“

Schreibers Aktionsradius reichte zeitweise bis nach Transdanubien, wo man im Auftrag der Stadt die dortige Kultur zu fördern versuchte. Dokumente ihrer Zeit sind auch die Hör-CDs über alle 23 Wiener Bezirke, viele davon in Ö1-Radioqualität. Zudem führte man im Augarten über viele Jahre das für die Kultur adaptierte Ausflugslokal mit dem Namen „Bunkerei“.

Ein Generationenwechsel 

Im Buch dokumentiert ist auch der Generationen- und Schwerpunktwechsel: „Heute haben wir hier einen freien Diskursraum eingerichtet.“ In den Veranstaltungen geht es mehr um globale als lokale Themen. Nicht nur in Wien wertgeschätzte Intellektuelle, Künstler und Politiker haben bereits im adaptierten Café Troppau, Gaußplatz 11, vorgetragen. Sie sind dort immer auf ein interessiertes und gebildetes Publikum getroffen.

Wenn Uschi Schreiber für das Foto vor die Tür tritt, sieht sie in ihrem Radius nicht nur den Gaußplatz, sondern auch einen Zipfel des Augartens. Als Stadtplanerin kennt sie nur zu gut die Probleme von Stadtteilen, die attraktiviert wurden und nun aufgrund ihrer Schönheit Immobilienhaie anziehen. Deshalb stellt sie fest: „Der Augarten ist heute ein Volkspark im besten Sinn. Er darf daher niemals UNESCO-Weltkulturerbe werden. Wir brauchen hier auch keine Influencer und massenhaft Touristenbusse.“

Bitte keine Influencer!

Die Stadtplanerin selbst wohnt fünf Häuser weiter. Sie lächelt, erinnert sich an ihre ersten Jahre in Wien: „Für uns Studierende vom Land war die Brigittenau aus der Welt. Und Floridsdorf haben wir gar nicht gekannt.“ Man habe die Nase gerümpft, als sie erzählt hat, dass sie in den 20. Bezirk übersiedeln wird.

Doch Uschi Schreiber hat damals etwas entdeckt, was heute als hipp gilt: „Du gehst zu Fuß in den ersten Bezirk und hast 54 Hektar Augarten vor deiner Haustür.“

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