Wie Augarten-Porzellan mit Tradition bricht und junge Käuferschichten anzieht

Wie Augarten-Porzellan mit Tradition bricht und junge Käuferschichten anzieht
Geschäftsführerin Stephanie Lamezan-Salins über die Abkehr von alten Statussymbolen, das Comeback der Tischkultur, den Mut zur Farbe und die Angst vor Zöllen

Die Porzellanmanufaktur Augarten blickt auf eine stolze Geschichte zurück: Seit 300 Jahren pflegt man das Kunsthandwerk, seit 101 Jahren ist man im namensgebenden Wiener Augarten im 2. Bezirk beheimatet – und produziert bis heute in Handarbeit. Stephanie Lamezan-Salins führt seit einem Jahr die Geschäfte des Unternehmens.

KURIER: Der Name Augarten steht für das gute Porzellan, dass die Oma nur an Festtagen aus der Vitrine holte. Ist das auch das Bild, das Sie selbst von Ihrer Marke haben?

Stephanie Lamezan-Salins: Tatsächlich waren die Erbstücke, die es in meiner Familie gab, einst mein erster Bezugspunkt zu Augarten. Als ich älter wurde, haben sie mein Interesse geweckt. Heute weiß ich, dass die Marke eine spektakuläre Geschichte hat. Dennoch ist es uns mit unserem zeitlosen Design gelungen, in der Gegenwart anzukommen.

Wie Augarten-Porzellan mit Tradition bricht und junge Käuferschichten anzieht

Haben Traditionsmarken für die Menschen an Bedeutung verloren?

In Wien besaß der gutbürgerliche Haushalt der 1960er- oder 70er-Jahre fast wie selbstverständlich Augarten. Damals galt: Wer etwas auf sich hält, muss unser Porzellan haben. „Man muss“ – diese Worte funktionieren nicht mehr, diese Zeiten sind vorbei. Alte Statussymbole gelten nicht mehr. Die Menschen schauen nach links und rechts, auf andere Marken, die internationalen Luxus versprühen. In dieser Vielfalt liegt eine Chance. Heute gilt: „Man will“ – wer sich für Augarten entscheidet, tut das bewusst.

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Muss man in Augarten hineinwachsen? Lässt sich mit einer so traditionsreichen Marke überhaupt ein junges Publikum ansprechen?

Das ist unser Ziel. Es hängt natürlich davon ab, wie wir „jung“ definieren. Wir wollen relevant sein für Menschen, die im Erwerbsleben stehen und die Freiheit haben, sich für Qualität zu entscheiden. Irgendwann kauft man ja auch nicht mehr den billigsten Schuh oder die billigste Tasche – das ist der Moment, in dem Augarten ins Leben treten sollte.

Das kostet Geld.

Ja, wir spüren diese Berührungsangst. Ich höre, dass Menschen sagen: „Sehr schön, aber nix für mich.“ Sie trauen sich nicht zu uns, weil sie fürchten, dass ihnen die Zahlen um die Ohren fliegen, sobald sie das Geschäft betreten. Deshalb haben wir im Mai die „Weißen Wochen“ (siehe Faktenkasten) ins Leben gerufen. Sie sind eine exklusive Gelegenheit, bei uns Waren zweiter Wahl zu kaufen. Ich kann guten Gewissens sagen: Die zweite Wahl bei uns ist so gut wie die erste Wahl in anderen Geschäften. Sie hat kleinste Mäkel, die nur den Profis in der Manufaktur auffallen.

Ist das ein Versuch, Augarten-Porzellan alltagstauglich zu machen?

Begeisterung für Dinge entsteht nicht durchs bloße Anschauen. Man muss sie verwenden. Unser Geschirr ist voll alltagstauglich, Sie können es auch in den Geschirrspüler räumen. Porzellan muss leben. Gut, wenn die Menschen Respekt für Qualität haben – zugleich leiden wir unter dem Respektabstand zur Marke. Aber wir spüren ein Comeback der Tischkultur, das ist eine Chance.

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Wie spüren Sie das?

Die Tischkultur ist in den österreichischen Werten verankert. Etwa im Familiensinn und der Freude daran, ein Fest auszurichten. In der Post-Corona-Zeit haben wir neu gelernt, wie schön das ist. Aber auch Social Media – vor allem Instagram, das von Bildern lebt – hat dem Thema Design und Tischkultur neuen Schub gegeben. Die Bilder inspirieren uns. Deshalb sehen gedeckte Tische heute anders aus als früher.

Wohin geht der Trend?

Lebendigkeit statt Strenge und Ordnung. Eine Tafel darf Lebensfülle vermitteln, fast barocke Pracht. Da gehört auch Farbe dazu. Weiße Tischdecke, Blumen in der Mitte – das ist Vergangenheit. Wir wollen den Kunden vermitteln: Leg doch auf den Tisch, was dir Freude macht!

Sie sind stolz auf die österreichische Handwerkskunst. Können Sie hier gewinnbringend produzieren?

Es gibt die klare Entscheidung, dass Augarten als Wiener Marke im Inland produziert und über den für uns aufwendigen Filialbetrieb präsent bleibt. Aber das ist zu wenig, dafür fehlt die Grundauslastung im Inland. Das allein führt nicht auf den Wachstumspfad. Wir setzen auf Privatkunden und Interior Designer im Ausland, vor allem in den USA, für die wir Haushalte in ganz anderen Größenordnungen ausstatten.

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2003 meldete man Konkurs an, der Investor Erhard Grossnigg übernahm. Ist Augarten heute finanziell stabil?

Ja. Unser Ziel ist es, auf eigenen Beinen zu stehen. Das gelingt uns im laufenden Geschäft derzeit gut.

Personal, Gaskosten, das Porzellan: Die Produktion ist kostenintensiv. Bereitet Ihnen die wirtschaftliche Weltenlage Sorgen?

Die Personalkosten sind intensiv. Aber ohne unsere langjährigen Mitarbeiter und ihr Fachwissen geht es nicht. Eine Bedrohung sind die permanenten Drohungen, Zölle einzuheben. Ich muss ungläubig schmunzeln, wenn mancher glaubt, dass die Auswirkungen auf Österreich nicht so groß wären. Die Auswirkungen sind zumindest für uns massiv. Kunden aus den USA haben uns informiert, dass sie Bestellungen aus Unsicherheit derzeit nicht platzieren.

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