Assistentin von gesuchter "Beauty-Ärztin" schuldig gesprochen
Die Assistentin einer falschen Beauty-Ärztin, die in Wien einer Kundin ohne medizinische Kenntnisse die Lippen aufgespritzt hat, ist am Dienstag am Wiener Straflandesgericht zu einer bedingten Haftstrafe in der Höhe von 15 Monaten verurteilt worden. Das Urteil wegen Betruges und schwerer Körperverletzung ist bereits rechtskräftig. Ihre ebenfalls angeklagte Chefin ist dem Prozess fern geblieben, nach der 25-Jährigen wird nun per Haftbefehl gesucht.
Die 22-Jährige zeigte sich bereits beim Prozessauftakt am vergangenen Freitag vollinhaltlich geständig. Sie habe die Ärztin für echt gehalten, ihre über Instagram angebotene „Russian-Lips-Technik“ war bei den jungen Frauen sehr beliebt. Als sie Weihnachten 2020 den Job bekam, freute sie sich so sehr, dass sie gleich über die Feiertage zu arbeiten begann. Die 22-Jährige hatte Desinfektionsarbeiten zu erledigen und die Termine zu verwalten.
Opfer extra aus Deutschland angereist
Als allerdings die Ärztin eines Tages krankheitsbedingt ausfiel, wurde sie von ihr aufgefordert, einer Kundin im Februar 2021 die Lippen aufzuspritzen. „Sie war jung und naiv, so dass sie das gemacht hat“, sagte Verteidiger Sascha Flatz. Die 22-Jährige hatte Angst gehabt, ihren Job zu verlieren. Sie sei von der Ärztin beruhigt worden, dass es sich nur um „eine Auffrischung“ handle. Die 27-jährige Kundin war zunächst irritiert, dass nicht die Medizinerin vom ersten Termin nun die zweite Behandlung vornahm. „Sie hat gesagt, ich brauche keine Angst haben, sie sei auch Ärztin“, beschrieb die junge Frau im Zeugenstand das Gespräch mit der Assistentin. Auf die Frage von Richterin Julia Matiasch, ob es für sie nicht ungewöhnlich gewesen sei, dass die Medizinerin so jung sei, meinte die 27-Jährige: „Ich habe einmal in einer Apotheke gearbeitet, da sind auch immer sehr junge Ärzte reingekommen und haben Rezepte eingelöst.“
Somit holte die 22-Jährige eine bereits angebrochene Ampulle mit Hyaluron, nahm eine neue Nadel und spritzte das Material in die Lippen der 27-Jährigen, die dafür extra aus Deutschland angereist ist. „Danach hatte ich Schmerzen und ein Spannungsgefühl. Und ich habe schon bald die Knötchen gespürt.“ Weil sich daran auch nach einer Woche nichts änderte, kontaktierte die junge Frau die Beauty-Ärztin über Instagram. „Da wurde mir gesagt, ich soll noch einmal kommen.“ Angekommen bei der Adresse der Ordination machte der 27-Jährigen niemand auf. „Ich habe eine Stunde gewartet, auch über Telefon habe ich niemanden erreicht. Dann bin ich wieder nach Hause gefahren. Was hätte ich tun sollen?“ Über Instagram habe sie dann die ersten Warnungen erhalten, dass es sich bei der Ärztin um eine Betrügerin handelt.
Unhygienische Bedingungen
Für die erste Behandlung zahlte die Frau 220 Euro, für die Auffrischung 150 Euro - ohne Rechnung. Auf die Frage von Richterin Matiasch, ob sie das nicht stutzig gemacht habe, meinte die 27-Jährige: „Natürlich ist es komisch, wenn man im Nachhinein nachdenkt.“ Bis heute seien ihre Lippen uneben, asymmetrisch und die Knötchen zu spüren. Die 22-jährige Angeklagte entschuldigte sich bei der Frau. „Es tut mir total leid“, sagte sie und überreichte ihr die 150 Euro, die sie für die Behandlung verlangt hat. „Ich war in einer Stresssituation, weil sie (die Ärztin, Anm.) nicht da war und sie gesagt hat, ich soll das machen.“
Über die unfassbaren unhygienischen Bedingungen, unter denen die falsche Ärztin gearbeitet hat, berichtete die medizinische Gutachterin Elisabeth Würinger. So soll die 25-Jährige aufgebrochene Ampullen aufbewahrt und an weitere Kundinnen abgegeben haben. Das bestätigte auch die Assistentin: „Die Reste wurden in den Kühlschrank gelegt und dann lediglich die Nadel ausgetauscht“, erzählte die 22-Jährige. „Das ist eine Katastrophe“, denn beim Verabreichen des Hyalurons kann Gewebe durchaus wieder aufgezogen werden. „Da fehlen mir die Worte“, sagte Würinger. Auch habe die Sachverständige die Werbevideos der falschen Ärztin ansehen. „Sie ist mit der Spritze eingedrungen, wo sie nicht eindringen soll.“ Unter sterilen Bedingungen habe die Frau nicht gearbeitet, sie habe mehrfach mit dem Handschuh die Nadel berührt. „Da kann man sich vorstellen, dass sicher Keime eingedrungen sind“, so Würinger. Sie wertete die Verletzungen deshalb als schwer.
Die nunmehr zur Festnahme ausgeschriebene 25-Jährige soll laut Staatsanwalt Christoph Köpf zwischen November 2020 und April 2021 fast zwei Dutzend Kundinnen „auf schmerzhafte und technisch gröblich unsachgemäße sowie nicht sorgfältige Weise“ behandelt haben. Wann gegen die Hauptangeklagte verhandelt werden kann, die laut Staatsanwaltschaft weder in Österreich noch in einem anderen Land ein medizinisches Studium an einer anerkannten Universität abgeschlossen hat und daher zu keinen chirurgischen Eingriffen berechtigt ist, ist unklar.
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