Wie ein Künstler in Rudolfsheim-Fünfhaus mit Wolle zeichnet

Feine schwarze Linien auf einem cremefarbenen Hintergrund werden immer wieder durchmischt mit farbigen Elementen in Blau, rot und orange. Das Gemälde, das in einem Atelier im 15. Bezirk hängt, springt sofort ins Auge. Das Besondere an dem Werk: Es besteht gänzlich aus Textilien.
„Wolle ist meine Farbe“, sagt Künstler Antonio Labuhar. Dabei verwendet der 28-Jährige ausschließlich organisches Material, wie Schafswolle, Leinen und Baumwolle. Auf Plastikprodukte verzichte er in seinen Arbeiten bewusst: „Ich möchte so umweltfreundlich wie möglich arbeiten.“
Sehen und Fühlen
Labuhar ist ein Visual Artist: „Das heißt für mich: Alles, was man sieht, mache ich gerne.“ Er begann seine Karriere zunächst in der Filmproduktion, spezialisiert auf Musikvideos und visuelle Effekte. Das bedeutete oft sieben Tage die Woche zu arbeiten.
„Der Dauerstress ist mir dann irgendwann über den Kopf gewachsen“, sagt er. Während der Pandemie fand der freischaffende Künstler schließlich einen handwerklichen Ausgleich – das Tuften. Dabei handelt es sich um eine Technik zur Herstellung textiler Flächen mit einer Florschicht. Auf diese Form der Handwerkskunst sei er durch Social Media aufmerksam geworden.
Seit seinem ersten Stück, einer Blume, die bis heute in seinem Schlafzimmer liegt, hat sich viel verändert: Er habe gemerkt, dass er nicht ausschließlich digitale Kunst machen möchte. Seine weichen Werke beinhalten auch eine sehr persönliche Komponente. „Tuften hat angefangen, mir zu gefallen, weil es mir Komfort gibt“, erklärt Labuhar.
Mehr Bewusstsein
Er sei oft ein „Overthinker“, also eine Person, die intensiv über Dinge nachdenkt. Bei Panikattacken habe das Tuften ihm geholfen, Dinge aktiv zu fühlen, um sich über das Hier und Jetzt bewusst zu werden. „Das hat mich aus vielen negativen Gedanken herausgeholt“, erzählt er. Seine Werke sind für ihn sozusagen ein greifbarer Anker.
Oft stelle er sich deshalb vor, wie alltägliche Aspekte „weich“ aussehen könnten. Harte Risse im Asphalt werden so etwa zu weichen Linien in seinen Kunstwerken. Seine erste Ausstellung war deshalb dem Thema „Soft World“ (dt. „weiche Welt“) gewidmet.
Die Welt etwas weicher machen
„Meine Beweggründe sind persönlich, aber das macht Kunst aus.“ Um die harte Welt symbolisch weicher zu machen, habe er in der Stadt schon einmal seine Kunstwerke an öffentlichen Orten platziert. Wo die Wollgemälde letztendlich geblieben sind, weiß Labuhar nicht. „Ich würde aber gerne einmal Kunst im öffentlichen Raum gestalten, wie beispielsweise Poller mit Textilien zu überziehen.“
Überzogen wurde auch ein kaputter Nähstuhl der Marke Singer, der nicht mehr wiederzuerkennen ist. Statt rissigem, zerfleddertem Leder wird der Hocker nun von einer Wollschicht in dunklem Blau, Creme und Pink ummantelt. Neben Wandbildern und Teppichen gestaltet Labuhar nämlich auch Möbel neu. „Dabei dreht sich viel um Wiederverwertung. Ich würde die Möbel als ’refurbished (dt. „generalüberholt“) vintage Produkte’ beschreiben“, sagt der 28-Jährige.
Er experimentiere gerne, weshalb es kein Stück ein zweites Mal gebe. Trotz Unikaten weisen zumindest einige Werke dennoch Gemeinsamkeiten auf: ein bunter Stil mit spitzen Haken als wiederkehrendem Motiv zum Beispiel. Unabhängig davon, wie die Werke letztendlich aussehen, das Ziel bleibt dasselbe: „Ich möchte die harte Welt so zumindest ein bisschen weicher machen“, sagt Antonio Labuhar.
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