Das fehlende Zeichen gegen Antisemitismus: Eine ziemliche Schieflage

Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger werden aus dem Taxi geworfen. Ihnen wird die Bedienung in Restaurants verweigert. Die israelische Flagge am Campus der Religionen wird zerstört. Das alles innerhalb weniger Tage – und die Dunkelziffer der antisemitisch motivierten Handlungen wird wohl hoch sein. Die bekannten Schilderungen zeigen zudem, dass alle in einen Topf geworfen werden: Angegriffen wurden Personen, deren Kleidung als jüdisch erkennbar waren, die Hebräisch sprachen oder einfach nur erwähnten, aus Israel angereist zu sein.
Bei alldem kann man nicht mehr von einem verborgenen und langsam wieder aufkeimenden Antisemitismus sprechen. Dass Menschen nur wegen ihrer Religion (egal, welcher) zur Zielscheibe werden, ist schlicht inakzeptabel. Selbst wenn man die israelische Kriegsführung ablehnt, ist es kein heroischer Akt der Zivilcourage, Juden die Teilhabe am öffentlichen Leben zu erschweren. Oder anders gesagt: Weil ich einem beliebigen Menschen die Pizza verweigere, wird das mit Sicherheit kein an Hunger leidendes Kind in Gaza retten. Genauso sicher ist, dass die Anspannung von Jüdinnen und Juden steigt, sich viele nicht mehr trauen, sichtbare Zeichen wie den Davidstern zu tragen.
Dabei sind Juden ein wichtiger Teil von Wien und haben wesentlich zur kulturellen und wissenschaftlichen Vielfalt der Stadt beigetragen, auf die man zu Recht so stolz ist. Wer sie angreift, sollte aus unzähligen Gründen zum Geschichtsbuch greifen.
Apropos Geschichte: Dass die Kontextualisierung des Karl-Lueger-Denkmals am Ring, wie nun bekannt wurde, noch einmal nach hinten verschoben wird, ist mehr als unglücklich. Weil Luegers Antisemitismus immer wieder kritisiert wurde, soll die Statue um 3,5 Grad gekippt werden. Das Projekt seht seit 2023 fest. Die Kunstinstitution KÖR hat die Verzögerung mit der „Komplexität“ des Vorhabens erklärt. In Zeiten wie diesen sichtbare Zeichen gegen Antisemitismus nicht voranzutreiben, ist vor allem eines: eine ziemliche Schieflage.
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