Millionen für IS: Angeklagter in Wiener Terror-Prozess teilgeständig

SYRIA-CONFLICT-KURDS-IS
Der Tschetschene räumte ein, sich für den IS betätigt zu haben, bestritt aber eine führende Funktion.

Ein IS-Siegelring als Profilbild, Chats, in denen fantasiert wird, dass über Istanbul bald schwarze  Fahnen wehen werden (gemeint: jene des Islamischen Staats, Anm.) und einschlägige Videos eines Hasspredigers. Was die Behörden auf dem Handy des in Wien lebenden Tschetschenen Yusup M. gefunden haben, lässt wenig Zweifel über dessen radikale Gesinnung.

Gänzlich anders klang das allerdings am Dienstag am Wiener Straflandesgericht, wo sich der 33-Jährige derzeit verantworten muss, weil er Spenden im  zweistelligen Millionen-Euro-Bereich für Zwecke der radikalen Terror-Miliz  gesammelt haben soll. Terror zu finanzieren, sei nie seine Absicht gewesen, beteuerte er via Dolmetscher, gestand aber eine Teilschuld ein. Er habe sich nicht ausreichend vom IS abgegrenzt, jedoch stets hehre Ziele verfolgt.

„Ich habe 2018  in den sozialen Medien ein Video einer tschetschenischen Familie im Gefangenenlager Roj gesehen. Sie berichteten von Misshandlung und baten um Hilfe.“ Er habe nicht gezögert und Geld in syrisch-kurdische IS-Gefangenencamps geschickt. „Das war humanitäre Hilfe“, betont Anwalt Florian Krainer.

Dabei blieb es laut Anklage nicht: Yusup M. fand mittels Lieferanten Wege, Bargeld über die Türkei nach Syrien zu bringen. Später wurden Spenden vor allem via Kryptowährungen transferiert. 2022 schloss  sich der Tschetschene nach einer Saudiarabien-Reise schließlich einer Gruppierung namens „Jamaat“ an, der neben ihm tschetschenischstämmige Männer in Belgien, Deutschland und der Türkei angehörten.

„Das System florierte leider“, erklärte der Staatsanwalt am Dienstag. Allein der Wiener Beschuldigte habe bis zu 400.000 US-Dollar überwiesen. „Um gefangene IS-Anhänger freizukaufen, Waffen und Kämpfer zu finanzieren“, so der Anklagevertreter. Eine Summe, die laut Yusup M. stimmen könnte – „für  Medikamente und Schafe in den Lagern“.

Wie viel seine Mitstreiter aufgestellt hätten, könne er nicht sagen. Jedenfalls nicht die in der Anklage genannten 73,5 Millionen US-Dollar versicherte er. 

Angeber statt Anführer

Generell seien es die anderen Mitglieder der Zelle gewesen, die sich dafür starkmachten, von der ursprünglich karitativen Ausrichtung abzurücken. „Ich hatte die Witwen und Waisen im Kopf“, beteuerte er und bezeichnete die Gruppe als „Wohltätigkeitsfonds“.

Eine Darstellung, die Richterin  Sonja Weis stark anzweifelte: „Sinngemäß waren Sie die Caritas für arme Kinder und Frauen? Wozu bekennen Sie sich dann überhaupt schuldig? Das ist wie, wenn ich einen Mord gestehe und sage, ich habe nicht geschossen.“

Eine zufriedenstellende Antwort erhielt die Senatsvorsitzende nicht. Stattdessen redete sich der 33-Jährige auf Unwissenheit heraus und relativierte die Vorwürfe: „Wir haben jahrelang Spenden gesammelt, da gab es zwei, drei Zwischenfälle.“

Einer davon wiegt besonders schwer: In einem von den Ermittlern sichergestellten Chat wird darüber geredet, IS-Kämpfer Sturmgewehren auszustatten. Die Antwort, die von der Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zugeschrieben wird: „Schick ihnen Moneten für circa drei Gewehre/Waffen.“

Die Tatsache, dass Yusup M. Anweisungen geben konnte, sei ein Indiz für dessen Rolle als Anführer in dem Netzwerk, führte der Staatsanwalt aus, der den 33-Jährigen mit weiteren belastenden Chatprotokollen konfrontierte. Darin prahlte er mit seinem Einfluss. „Ich habe übertrieben, mich als Superhelfer ausgegeben“, antwortete der mutmaßliche IS-Mann kleinlaut. 

Dessen ungeachtet sah ihn der Anklagevertreter als Mitglied einer terroristischen Vereinigung und kriminellen Organisation. Bei anklagekonformer Verurteilung drohen bis zu 15 Jahre Haft. Mit einem Urteil ist erst im September zu rechnen. Der Prozess wurde vertagt. 

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