Akuter Personalmangel: Ein Schulpsychologe für 5.270 Kinder in Wien

Der Schock bei vielen Mitschülerinnen und Mitschülern in der Karajangasse dürfte tief sitzen – auch wenn die Hintergründe der Stichverletzungen, die die 16-jährige Schülerin am Gymnasium in der Karajangasse erlitten hatte, noch völlig unklar sind. Die Schülerin befindet sich derzeit noch im Krankenhaus, eine weitere Einvernahme bei der Polizei ist für nächste Woche geplant.
Am Donnerstag waren zwei Schulpsychologen vor Ort, um die Kinder und Jugendlichen zu betreuen. Per Elternbrief wurden die Schülerinnen und Schüler sowie die Erziehungsberechtigten darüber informiert, hieß es vonseiten der Bildungsdirektion.
Schulpsychologie ist ein Bereich, in dem derzeit „akuter Personalmangel herrscht“, sagt Bildungsstadträtin Bettina Emmerling (Neos). In Wien kommen auf insgesamt 253.000 Schülerinnen und Schüler nur 48 Schulpsychologinnen und -psychologen. Das bedeutet: eine Fachkraft ist für 5.270 junge Menschen verantwortlich.
Zum Vergleich: Im Jahr 2015 standen 34 Expertinnen und Experten zur Verfügung. Die Psychologen sind entweder bei der Bildungsdirektion oder beim Schulpsychologie-Zentrum ÖZPGS angestellt. Ihre Aufgaben bestehen vor allem im Diagnostizieren von Lernschwächen. Sie werden aber auch gerufen, wenn junge Menschen psychische Probleme haben.
Team für Schulverbände
Weil die psychische Gesundheit ein immer größeres Thema wird, wurden in Wien jetzt „multiprofessionelle Teams“ ins Leben gerufen. Heißt: Schulverbände aus drei bis vier Standorten, die einen besonderen Unterstützungsbedarf haben, werden von diesen Teams des Psychosozialen Dienstes betreut.
„Diese setzen sich aus klinischen Psychologen, Sozialpädagoginnen, Sozialarbeiterinnen und – je nach Bedarf – Ergotherapeuten zusammen. An jeder Schule eines solchen Schulverbunds wird jeweils eine Person aus diesen Teams täglich vor Ort sein“, heißt es aus dem Büro von Bildungsstadträtin Bettina Emmerling. Das Konzept gibt es derzeit in Favoriten, Margareten und Floridsdorf sowie an zwei überregionalen Verbünden.
Darüber hinaus stehen den Schulen kostenfreie präventive Angebote – u. a. über das Projekt Wiener Bildungschancen – zur Verfügung. Alle Pflichtschulen der Stadt erhalten seit Ende 2023 ein eigenes Budget für externe Angebote. Gerade im Bereich Mental Health und Schutz vor Mobbing werden hier viele Kurse angeboten.
Anzahl soll verdoppelt werden
Der Ruf nach mehr Schulpsychologen und -psychologinnen wurde österreichweit nach dem Amoklauf in Graz laut. Auch im Bildungsministerium ist man sich des Mangels an Fachkräften bewusst: „Wir werden in den kommenden Jahren zusätzliche Planstellen für die Anstellung weiterer Schulpsychologinnen und Schulpsychologen bereitstellen“, hieß es damals von Minister Wiederkehr.
Konkret plant die Bundesregierung, die Anzahl der Fachkräfte in den nächsten drei Jahren zu verdoppeln. Für den Vollausbau stehen mehr als 20 Millionen Euro zur Verfügung. Geprüft werde außerdem, inwieweit andere Berufsgruppen zusätzlich zur Schulpsychologie und Schulsozialarbeit zum Einsatz kommen könnten.
“Schultherapie wichtig“
Gebraucht werden auch Psychotherapeuten. Darauf verweist Béa Pall vom Bundesverband für Psychotherapie. Sie nennt als Beispiel ein Pilotprojekt, das an einigen Schulen angelaufen ist. „Dort steht eine psychotherapeutische Fachkraft jede Woche für vier Stunden zur Verfügung. Sie ist für die jungen Menschen, aber auch für die Lehrkräfte und die Eltern eine wichtige Anlaufstelle“, sagt Pall. Derzeit müssten die Schulen das Geld für diese Beratung selbst auf die Beine stellen – 16.000 Euro pro Jahr und Standort.
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