Ein Spital wie Tag und Nacht
Es war eine kleine medizinische Sensation: In einer sechsstündigen Operation nähte ein AKH-Ärzteteam am Wochenende den Arm eines Ungarn wieder an. Der Mann hatte die Gliedmaße bei einem Arbeitsunfall verloren und war damit zunächst 20 Kilometer ins Spital in Eisenstadt gefahren.
Aber auch mit Skandalen, Korruptionsvorwürfen und Misswirtschaft. So bemängelte erst kürzlich der Rechnungshof, dass die Behandlungen im weltweit zweitgrößten Spital um bis zu 60 Prozent mehr kosten als in anderen Krankenhäusern.
Den Gesundheitsökonomen Ernest Pichlbauer überrascht dieser Befund nicht: „Es ist völlig klar, dass das AKH aufgrund seiner skurrilen Konstruktion so teuer ist.“ Das Riesen-Spital am Gürtel beherbergt unter seinem Dach zwei medizinische Institutionen, die gegensätzliche Zielsetzungen haben: Einerseits die zum Bund gehörige Medizinische Universität, deren Aufgaben Lehre und Spitzenforschung sind. Andererseits das AKH, das als Gemeindespital für die breite medizinische Versorgung zuständig ist. Die Ärzte sind Angestellte des Bundes, der große Rest des Personals steht im Sold der Gemeinde.
Das führt zu kuriosen Szenarien: „Der Ärztliche Direktor des AKH (er gehört zur Gemeinde, Anm.) hat nur einen Mediziner unter sich. Nämlich den Betriebsarzt“, schildert Pichlbauer. „Gleichzeitig kann er keine Auskunft darüber geben, wie viele Ärzte im Spital beschäftigt ist.“ Kurz: „Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut.“
Doch ist unter solchen Umständen überhaupt noch international herzeigbare Spitzenforschung möglich? „Verglichen mit den hohen Kosten steht die MedUni in Summe nicht so gut da, wie gerne behauptet wird.“ Einzelne Abteilungen, etwa die Onkologie, würden aber durchaus Spitzenleistungen hervorbringen.
Wunderwuzzi
Das Führungschaos soll jetzt verschwinden, versicherte Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ), nachdem die Rechnungshof-Kritik bekannt wurde: 2011 habe sie mit dem Wissenschaftsministerium ein Reformprojekt eingeleitet. Das Ziel: Eine effizientere Zusammenarbeit von AKH und MedUni. Pichlbauer ist skeptisch, dass gerade jetzt der große Wurf gelingen soll. „Um die Kosten des AKH haben seinerzeit schon Kaiser Franz Joseph und Bürgermeister Lueger gestritten. Aber vielleicht findet sich ja ein Wunderwuzzi.“
550.000 Menschen kamen 2011 in die Ambulanzen des AKH.
100.000 Patienten wurden stationär aufgenommen.
1585 Ärzte arbeiten im AKH.
5,32 Tage ist die durchschnittliche Verweilsdauer eines Patienten.
Vor fast genau zehn Jahren, im Sommer 2003, gelang einem Chirurgenteam am AKH eine medizinische Sensation: In einem 14-stündigen Eingriff führten sie die weltweit erste Transplantation einer Zunge durch. Bei dem Patienten handelte es sich um einen Krebskranken, bei dem der Tumor das Unterkiefer zerstört hatte.
International führend sind auch die HNO-Ärzte. Dies gilt vor allem im Bereich der Hörimplantate. Erst 2011 machte das Spital mit einer auf diesem Gebiet weltweit erstmals angewandten Methode auf sich aufmerksam.
Aber auch mit der Behandlung von Prominenten sorgt das Krankenhaus für Schlagzeilen: „Die Ärzte am AKH haben mein Leben gerettet“, ist Popstar George Michael überzeugt. Vor seinem geplanten Wien-Konzert musste der Sänger im Herbst 2011 mit einer schweren Lungenentzündung in das Spital eingeliefert und dort rund einen Monat behandelt werden.
Zilk und Co.
Doch auch heimische Prominente wurden in dem Mega-Spital behandelt. Etwa der damalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, dem Ende 1993 eine Briefbombe die linke Hand zerfetzte. Oder Bundespräsident Thomas Klestil, der sich 1996 eine seltene Lungenerkrankung zugezogen hatte. Ex-Rennfahrer Niki Lauda wurden in der Klinik zwei neue Spendernieren verpflanzt.
Schon der Bau des bereits in den 50er-Jahren geplanten AKH mündete in einem handfesten Korruptionsskandal: Waren zu Beginn dafür zehn Jahre und etwa eine Milliarde Schilling angesetzt war, dauerte die Errichtung im Endeffekt 37 Jahre und verschlang 43 Milliarden Schilling (3,12 Mrd. Euro).
Schlüsselfigur war damals Adolf Winter, Geschäftsführer der Allgemeinen Krankenhaus Planungs- und Errichtungsgesellschaft (APKE). Über eine Briefkastenfirma in Liechtenstein wurden an die 40 Millionen Schilling (2,9 Mio. Euro) Schmiergeld verpulvert. Winter wurde 1981 zu acht Jahren Haft verurteilt.
In den 90er-Jahren wurde eine Reihe von groben Behandlungsfehlern bekannt: Aufgrund technischer Mängel kam es 1992 zu falschen Befunden, die zur Komplikationen bei Operationen führten. 1995 wurden einem Patienten mit Vorhautverengung versehentlich beide Hoden entfernt.
Saubermacher-Skandal
Auch in jüngster Zeit gingen mögliche Korruptionsfälle durch die Medien: Bei diversen Ausschreibungen 2004, 2005 und 2010 soll es zu Schiebungen zugunsten der Reinigungsfirma AGO gekommen sein. Im Jahr 2010 handelte es sich um einen 50 Millionen Euro schweren Auftrag. Demnächst wird die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob es zu einer Anklage kommt.
Kommentare