"Wein ohne Alkohol ist kein Wein" - was in Italien richtig aufregt

In ein Glas wird Rotwein eingegossen
Seit Kurzem dürfen auch in Italien Getränke mit wenig oder Null Alkohol produziert und auch noch Wein genannt werden. Weinliebhaber und Winzer treibt das auf die Palme.

„Wein ohne Alkohol ist kein Wein“, Ilaria ist da strickt. Erst im November hat sie ein kleines Weinlokal in Mailand aufgemacht. Es nennt sich „Wine Lovers“. Bei ihr gibt es erlesene Weine von eher kleinen Winzern aus ganz Italien. Und sie selbst betreibt mit ihrem Vater ein kleines Weingut im Piemont. Dass es sich dabei um Prädikatweine handelt, beweist der sehr angenehme Barbera.

Doch auch wenn sie den Hype um den alkoholfreien Wein überhaupt nicht versteht, gibt sie zähneknirschend zu, selbst schon ein paar Flaschen bestellt zu haben. „Die Kunden haben danach gefragt und ich muss auch schauen, dass das Geschäft läuft.“  Die Freiheit, die sie sich aber doch nimmt ist, dass sie den Wein ohne Alkohol nur als ganze Flasche verkauft und nicht als Glas ausschenkt. Nicht zuletzt, weil dieser Wein fast dreimal soviel kostet als der normale.

Die italienischen Weine sind wie die italienischen Küche Teil des Nationalstolzes. Wehe dem, der es wagt, etwas daran zu ändern. 

So zumindest dachte man bis vor ein paar Wochen. Was das Laborfleisch betrifft, wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Herstellung und den Verkauf hierzulande strikt verbietet. Und was den Wein betrifft, durfte man bis vor ein paar Wochen kein Getränk mit einem Alkoholgehalt unter 8,5 Prozent Wein nennen. 

Doch dann schwenkte das Landwirtschaftsministerium um. Ende Dezember hat Agrarminister Francesco Lollobrigida dem Druck der EU und einigen italienischen Weinbauern nachgegeben und die Verbote aufgehoben. Immerhin 12 Jahre nach der EU Verordnung (1308/2013), die das Prozedere der Alkoholentnahme bewilligte. Nicht nur können jetzt auch Getränke mit einem niedrigeren Alkoholgehalt sondern auch mit gar keinem Wein genannt werden.

Weiters darf ab jetzt auch in Italien das Prozedere der Alkoholentnahme in Italien durchgeführt werden. Bis vor kurzem wandten sich die italienischen Weinbauer an ausländische Betriebe. Verboten ist es weiter, Weine mit Gütesiegel oder geschützter Ursprungsbezeichnung dieser Prozedur zu unterziehen.

Der lukrative neue Markt

Dass mit diesem Produkt neue Märkte  gewonnen werden können, beziehungsweise es auch in Italien eine Kundschaft dafür gibt, bestätigte der Branchenverband Unione Italiana Vini. Paolo Castelletti, Vorsitzender des Verbands, hob schon voriges Jahr im Rahmen der in Verona alljährlich stattfindenden Weinmesse Vinitaly hervor: „36 Prozent der italienischen Verbraucher haben ein Interesse daran endalkoholisierte Getränke zu konsumieren. Allein in den USA, dem Brutkasten vieler Erneuerungen, ist der Nolo (no und low alcohol) Markt eine Milliarde Dollar wert.“

Es ist das Business, das auch Italien zu diesem Tabubruch – so sehen es Weinliebhaber, Kenner und Genießer – geführt hat.  Zwar wechseln sich Italien und Frankreich immer auf Platz eins weltweit ab, was die Produktion betrifft, trotzdem wurden in den letzten Jahren mehr Rückschläge als Wachstum verbucht. 

Darauf weisen auch die Erhebungen für das Jahr 2023 der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV), hin. Was den Konsum 2023 betrifft, lag Frankreich mit 24,4 Millionen Hektoliter (Mhl) auf Platz eins, gefolgt von Italien mit 21,8 Mhl und Deutschland mit 19,1 Mhl. In Österreich lag der Konsum bei 2,3 Mhl.

 In allen EU Ländern ging er zwischen 1 und 2,5 Prozent zurück. Dasselbe gilt für den Export. Wobei Italien 2023 mit einem Minus von 1 Prozent weitaus besser davon gekommen ist als Frankreich mit einem Minus von 5,8 Prozent.

„Die Möglichkeit auch in Italien alkoholfreien Wein herzustellen, bietet sicher Chancen für unsere Landwirtschaft und generell die Wirtschaft“, meint auch das Konsortium zum Schutz des Prosecco. „Das ändert aber nichts an unserer Meinung, dass der Name ‚Wein’ für diese Produkte eine Täuschung ist. Man kann nicht mit einem Rechtsakt den Sinn eines Wortes ändern, dessen symbolischer Wert über Jahrtausende die Geschichte des Menschen beeinflusst hat.“

Der Klimawandel spielt mit

Business und (Geschmacks-)Moden tragen entschieden dazu bei, dass sich der eine oder andere Weinbauer umorientiert hat. Eine wichtige Rolle spielt aber auch der Klimawandelmit seinen langen Dürre- und Hitzeperioden. Vor allem in Sizilien.

"Wein ohne Alkohol ist kein Wein" - was in Italien richtig aufregt

Deswegen hat der Weinverband Assovini Sicilia ein Forschungsprojekt mit dem bekannten Nero d’Avola in Auftrag gegeben. Geleitet wird es von der Önologin und Professorin an der Mailänder Uni Daniela Fracassetti. „Die Wärme führt dazu, dass Trauben und Most zunehmend zuckerhaltig sind und demzufolge der Wein einen höheren Alkoholbestand hat,“ erklärt Fracassetti. „Wir arbeiten daran das Äthanol, sprich den Alkoholgehalt zu reduzieren und gleichzeitig den Geschmack des Weins aber beizubehalten.“ 

Mariangela Cambria ist Vorsitzende von Assovini und führt ein Weingut an den Füßen des Ätna. Wie das Prosecco Consorzio ist auch sie der Meinung, dass Wein ohne Alkohl nicht als Wein bezeichnet werden dürfte. „Und das sage nicht ich sondern das steht im Gesetz. Wobei natürlich unterschieden werden muss zwischen einem Wein, bei dem das Alkoholvolumen verringert wurde und einem Getränk mit Null Alkohol.“

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