In Sizilien wird das Wasser knapp, aber nicht nur wegen des Klimas

Zu wenig Wasser: Verdorrte Orangen bei einer Plantage in Sizilien
Carmelo Laudani blickt besorgt zum Himmel. Der 29-jährige Sizilaner ist Landwirt in der Piana di Catania, eine Ebene die sich die vom Ätna bis hin zu Catania, der zweitgrößten Stadt Siziliens, und der ionischen Meeresküste erstreckt. Hier wachsen die besten und saftigsten Orangen der Insel. Auch die von Carmelo. Im Moment sind die blonden erntereif, in Kürze kommen dann die mit dem rotem Fruchtfleisch und roter Schale. Die sind besonders beliebt.

Carmelo Laudani in seinem Orangenhain
Dunkle Wolken sammeln sich gerade. „Hoffentlich kommt es nicht zu sintflutartigem Regen“, sagt er. Die Dürre habe schon genügend Schaden angerichtet, fügt er hinzu und zeigt auf die Orangenhaine entlang der Straße. Zum Glück sind es nicht seine. Die Bäume tragen, wenn überhaupt, sehr kleine Früchte. „Viele dieser Plantagen wurden aufgegeben. Verdorren vor sich hin.“ Ihn hat es nicht so arg getroffen, weil er über einige Brunnen verfügt. Trotzdem rechnet er mit einem diesjährigen Ernteverlust zwischen 30 und 40 Prozent.
Seit Monaten kein Regen
Herr Giosuè Arcoria ist Vorsitzender des Bauernverbands Confagricoltura. Vor seinem Haus erstreckt sich ein Orangenhain auf dem die meisten Bäume die Dürre nicht überlebt haben. Wie auch? „Seit Mai 2023 und bis vor ein paar Monaten hat es hier nicht geregnet“ sagt er. „Mein Vater, der 82 Jahre alt ist, meint so etwas habe er noch nie erlebt.“ Verrückt ist außerdem, dass es Tag davor in Catania stark geregnet hat, und in Paternò, keine 20 Kilometer entfernt, es trocken geblieben ist.

Vertrocknete Wiesen - Dürre im Vorjahr auf Sizilien
„Wassermangel ist in Sizilien ist nichts Neues“, sagt Carmelo. „Das Problem ist ein anderes. Ein obsoletes Wasserverteilungsnetz und ein ineffizientes regionales Wasserkonsortium.“
Letzteres, das den Namen Consorzio di Bonifica (Wasserverwertungsbehörde) trägt, diene mehr als Arbeitsvermittlung für Familienangehörige, meint nicht nur Carmelo. Und das obwohl die Landwirte dem Consorzio eine Dienstleistungsgebühr zahlen müssen. „Voriges Jahr floss aber nicht ein einziger Tropfen aus diesen Leitungen. Weswegen ich nicht mehr zahle. Soll mich das Gericht nur vorladen.“
Seine Plantagen sind Dank der drei Brunnen, über die sie verfügen, nicht auf das Consorzio angewiesen. Dank einer EU-Finanzierung für junge Landwirte hat er außerdem ein künstliches Seebecken gebaut, das mit dem Brunnenwasser gefüllt wird.
Auch Salvo Vella, Staatsanwalt in der sizilianischen Stadt Gela, hebt hervor, dass es nicht nur die Dürre ist, die ein Problem darstellt. „Sizilien ist kein Wüstengebiet. Wir haben zahlreichen Bergketten, darunter die Nebrodi, die Iblei und die Erei, wir haben Seen, Flüsse. Wir hätten genügend Wasser. Was fehlt ist eine verantwortungsvolle Verwaltung“ erklärt er.
Die Cosa Nostra verdiente mit
Ein Problem, das mit dem Bau der Staudämme in den 60er-Jahren begann. Der Bau war ein unglaublich lukratives Geschäft, bei dem die Cosa Nostra kräftig mitmischte. Insgesamt gibt es auf der Insel 46 davon. „Viele dieser Dämme wurden aber nie den vorgeschriebenen Prüfungen unterzogen“, fährt der Staatsanwalt fort. Deswegen dürfen sie nicht genutzt werden und das darin gesammelte Wasser muss ins Meer abfließen. Die Cosa Nostra habe kein wirkliches Interesse mehr am Wassergeschäft, fährt Vela fort. Nur kleine Bosse würden versuchen im Inneren Siziliens etwas Geld mit der Wasserverteilung. Vor allem bei den Bauern. Wer zahlt, der kriegt das Wasser eher oder überhaupt.
Und dann ist da noch das Verteilnetz. Es ist so marode, dass 51 Prozent des Wassers entlang der Strecke verloren geht. Ein Paradebeispiel ist Catania aktuell. „Gerade kam eine Mitteilung der Stadtverwaltung, mit der eine zeitweilige Wasserrationierung in manchen Vierteln ankündigt wird“, erzählt Viola Sorbello. Sie ist Vorsitzende des Umweltverbands Legambiente Catania. „Das ist einfach verrückt. Vor der Haustür haben wir den Ätna der zugeschneit.“ Eine Erklärung für die Maßnahme liefert die Mitteilung nicht.
Mafia-Machenschaften aus der Vergangenheit, miserable Wasserverwaltung und Vetternwirtschaft haben die Folgen des Klimawandels für Sizilien noch schlimmer gemacht. Wobei es nicht so ist, dass man sich tatenlos dem Schicksal ergibt. Im Gegenteil.
Zusammenarbeit mit der BOKU in Wien
Was die Studien über die Verwertung von Abwasser betrifft, zählt man zu den Besten, hebt Giuseppe Cirelli, Agraringenieur und Professor an der Uni Catania hervor. „Seit über 10 Jahren arbeiten wir auch zusammen mit ausländischen Instituten, darunter die BOKU in Wien.“ Geforscht wird über pflanzliche Kläranlagen, sowie über Bewässerungsvorgänge, die – wenn man es so sagen darf – die Pflanzen ‚erziehen’ mit weniger Wasser auszukommen. Im Fachjargon heißt das ‚partial root drying’.
Leonardo Sciascia, gebürtiger Sizilianer und einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts schrieb von der Linie der Palme, die klimabedingt Richtung Norden ziehe. Er bezog sich auf die politischen Missstände und die Kriminalität, die von Sizilien auf den Kontinent überschwappen.
Heute gilt das auch für das Klima. Deswegen meint Frau Sorbello „müssten die Klimaforscher nach Sizilien kommen, um zu sehen, was in nicht allzu langer Zeit auch im Norden stattfinden könnte.“
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