Sturzflut in Texas: Schon 119 Tote, noch immer 173 Menschen vermisst

Zusammenfassung
- Mindestens 119 Todesopfer nach Sturzflut in Texas, schwere Verwüstungen und 173 Vermisste, davon 161 in Kerr.
- Heftige Regenfälle und Klimawandel als Hauptgründe für die extremen Wetterbedingungen in der Region.
- Großangelegte Suchaktionen mit über 2.000 Einsatzkräften, Unterstützung durch Hubschrauber und Suchhunde.
Nach der Flutkatastrophe im US-Bundesstaat Texas ist die Zahl der Toten laut Medienberichten auf mindestens 119 gestiegen. Allein in dem am schwersten betroffenen Landkreis Kerr wurden bisher 95 Todesopfer gefunden, darunter 36 Kinder, wie Sheriff Larry Leitha am Mittwoch vor Journalisten sagte. Im gesamten Katastrophengebiet wurden noch 173 Menschen vermisst, davon 161 allein in Kerr.
Der texanische Gouverneur Greg Abbott sagte dazu, dass die Liste der Vermissten wahrscheinlich noch länger werde. "Im Moment ist es unsere Aufgabe Nummer eins, jede einzelne vermisste Person zu finden", erklärte er im Onlinedienst X.
Die Suche nach Vermissten geht indes unvermindert weiter. An den Such- und Bergungsarbeiten sind mehr als 2.000 Einsatzkräfte beteiligt. Auch Hubschrauber, Drohnen und Suchhunde kommen zum Einsatz.
Schlamm, Trümmer und teils dichte Vegetation erschweren die Suche nach den Flutopfern.
Das besonders von den Überschwemmungen betroffene Mädchen-Sommercamp "Camp Mystic" trauert um 27 tote Camper und Betreuer. "Unsere Herzen sind an der Seite der Familie gebrochen, die diese unvorstellbare Tragödie ertragen müssen. Wir beten ständig für sie", teilte das Camp mit.
Fünf Teilnehmerinnen und ein Betreuer wurden am Mittwoch noch vermisst, wie Sheriff Leitha mitteilte. Außerdem werde nach einem weiteren Kind gesucht, das nicht an dem Sommerlager teilgenommen hatte.
Anrainer beteiligen sich an der Suche und halten mit Booten auf dem Wasser und an den Flussufern Ausschau nach bekannten oder unbekannten Opfern und Überlebenden. Einer der freiwilligen Helfer berichtete, dass er eines der Mädchen aus dem Sommerlager tot in einem Baum aufgefunden habe. "Wir möchten den Angehörigen dabei helfen, abzuschließen", sagte er. "Deswegen sind wir hier."

SMS-Nachricht: "Wir werden weggespült"
Für Betroffenheit sorgte auch der Fall einer vermissten jungen Frau, die das Feiertagswochenende gemeinsam mit Freunden auf dem Land verbringen wollte und ihrer Familie am frühen Freitagmorgen eine SMS mit den Worten, "wir werden weggespült", schickte und seitdem nicht mehr zu erreichen ist.
Texas' Vizegouverneur Dan Patrick berichtete dem Sender Fox News von einer Ferienlager-Betreuerin, die das Fenster einer Hütte einschlug, damit Mädchen im Schlafanzug hinausgelangen und um ihr Leben schwimmen konnten: "Diese kleinen Mädchen sind zehn oder 15 Minuten geschwommen. In der Dunkelheit und dem rauschenden Wasser und auf sie zutreibenden Baumstämmen, können Sie sich das vorstellen?", schilderte Patrick. Schließlich hätten die Kinder trockenes Land erreicht.
Warnung vor weiteren Gewittern
Der Wasserstand des Guadalupe-Flusses war am Freitag binnen 45 Minuten um acht Meter angestiegen. Die Überschwemmungen am US-Nationalfeiertag waren durch heftige Regenfälle von bis zu 300 Litern pro Quadratmeter ausgelöst worden - ein Drittel der durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmenge im Landkreis Kerr.

Trump kürzt Mittel - und gibt Biden-Regierung die Schuld
US-Präsident Donald Trump beschuldigte die Vorgängerregierung, für Versäumnisse im Katastrophenmanagement verantwortlich zu sein. Die Sturzflut und ihre Auswirkungen seien eine "Jahrhundertkatastrophe", die niemand erwartet habe, sagte Trump am Sonntag vor Journalisten. Auf Fragen dazu, warum die Menschen in der Region, in der an diesem langen Feiertagswochenende in den USA viele am Flussufer campierten, nicht früher gewarnt und evakuiert worden sein, verwies der Republikaner Trump auf die demokratische Regierung seines Vorgängers Joe Biden. "Das war nicht unsere Organisation", sagte er.
Seit Trumps Amtsantritt im Jänner waren Mittel für den Nationalen Wetterdienst NWS und die Klimabehörde NOAA gekürzt und zahlreiche Wissenschaftler entlassen worden.
Gesamtes Ausmaß der Katastrophe ist unklar
Gouverneur Abbott besuchte am Samstag das Camp Mystic. Er sei schockiert gewesen, schrieb er auf der Plattform X. Die Anlage sei auf eine Weise verwüstet worden, "wie ich es bei keiner Naturkatastrophe erlebt habe". Wasser habe bis zum Dach der Hütten gestanden. "Wir werden nicht aufhören, bis wir alle Mädchen gefunden haben, die in diesen Hütten waren." Für den heutigen Sonntag rief er einen Tag des Gebetes in dem Bundesstaat aus.
Zahlreiche Familien warten noch auf Nachricht
Wie die New York Times berichtete, hatten Eltern der Camp-Mystic-Teilnehmerinnen am Freitag nur eine kurze E-Mail erhalten: "Wir haben katastrophale Überschwemmungen erlitten", habe es darin geheißen. "Wenn ihre Tochter nicht gefunden wurde, haben wir Sie benachrichtigt. Wenn Sie nicht persönlich kontaktiert wurden, ist ihre Tochter in Sicherheit."

Ein zehnjähriges Mädchen hatte Glück, wie ihre Mutter der New York Times berichtete: Ihre Hütte habe hoch genug gelegen, dass sie dort auf ihre Rettung warten konnte. Eine andere Teilnehmerin habe mitten in der Nacht durch reißende Wassermassen bis zu einer Empore laufen müssen.
Dort habe sie eine schlaflose Nacht verbracht, während unter ihr das Wasser anstieg. Am nächsten Tag sei sie mit dem Hubschrauber gerettet worden. Den Flug habe sie nur als "laut" beschrieben.
Menschen retteten sich zum Teil auf Bäume
Das ländliche Gebiet im Süden der USA hatten viele Amerikaner genutzt, um am verlängerten Wochenende an Flüssen zu campen. Die heftigen Überschwemmungen seit Freitagmorgen hatten viele Menschen überrascht. In der für Sommercamps beliebten Gegend ist es nach Behördenangaben nicht unüblich, dass Flüsse über die Ufer treten. Allerdings war die Dimension ungewöhnlich.
Die Menschen hätten sich zum Teil auf Bäume gerettet, um nicht von den Fluten mitgerissen zu werden.
Am Samstag gab es zum Teil keinen Strom und kein Internet. Fernsehbilder zeigten, wie Autos mitgerissen wurden, Bäume entwurzelt waren, Häuser unter Wasser standen. Zum Teil wurden Leichen in Autos gefunden, die weggespült worden waren. Das gesamte Ausmaß der Katastrophe ist unklar.
Klimawandel macht extreme Regenfälle wahrscheinlicher
Der Guadalupe River sei ein Zusammenfluss zweier Quellarme, erklärte der Stadtverwalter von Kerrville, Dalton Rice, auf einer Pressekonferenz am Samstagabend. Auf beide habe es stark geregnet. Vor Kerrville seien die Wassermassen dann im Guadalupe River zusammengeflossen, was zu dem schnellen Anstieg des Pegelstandes geführt habe.
Extreme Regenfälle hätten in Texas in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund des Klimawandels zugenommen, sagte Kristina Dahl, Vizepräsidentin für Wissenschaft bei der gemeinnützigen US-Organisation Climate Central dem Sender CNN. "Da sich unser Klima erwärmt, kann die Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen - das macht es wahrscheinlicher, dass wir extreme Regenfälle wie diese erleben", sagte Dahl. Die vielen Todesfälle verdeutlichten nun, "wie unvorbereitet wir als Nation auf Katastrophen dieses Ausmaßes sind, ganz zu schweigen von dem, was mit der weiteren Erwärmung unseres Planeten noch kommen wird".

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