Zweijähriger Julen tot aus Schacht geborgen
Samstagnacht wurde es traurige Gewissheit: Der zweijährige Julen ist tot, und ganz Spanien trauert. Fast zwei Wochen lang hatten Hunderte Einsatzkräfte unermüdlich gearbeitet, um den zweijährigen Buben aus einem 107 Meter tiefen Brunnenschacht in dem Ort Totalan zu bergen. Am Freitag gelang es ihnen endlich, zu dem Kind vorzudringen. Jedoch konnten sie nur noch seine Leiche bergen.
Vorausgegangen waren immer neue Rückschläge wegen des harten Gesteins an dem schwer zugänglichen Unglücksort am Hügel Cerro de la Corona nahe der Küstenstadt Malaga. Ganz Spanien hatte auf ein Wunder und einen glücklichen Ausgang des Unglücks gehofft - vergebens. Nach tagelangen Bohrungen wurde der Bub in einer Tiefe von mehr als 70 Metern gefunden, wie das spanische Fernsehen berichtete.
Julen stürzte 71 Meter in die Tiefe
"Die Einsatzkräfte haben um 1.25 Uhr den unglücklicherweise leblosen Körper des Kleinen lokalisiert", twitterte der Delegierte der Madrider Zentralregierung in Andalusien, Alfonso Rodriguez Gomez de Celiz, in den Nachtstunden. Auch er sprach den Eltern sein Beileid aus. Die spanische Zivilgarde schrieb: "Leider haben wir es trotz aller Bemühungen so vieler Menschen nicht geschafft... Ruhe in Frieden Julen." Laut einem Sprecher der andalusischen Behörden wurde gegen acht Uhr mit der Obduktion des Leichnams des kleinen Jungen begonnen.
Nach den jüngsten amtlichen Erkenntnissen fiel Julen rund 71 Meter tief "im freien und schnellen Fall". "Darauf deutet die Stellung des Körpers hin", erklärte Gomez de Celis am Samstag vor Journalisten. Über ihm war Erdreich zusammengefallen, wie es dazu kam, wird derzeit untersucht. Der Kleine war, mutmaßten Medien, wohl sofort tot.
Ganz Spanien trauert
Spaniens Premierminister Pedro Sanchez sprach Julens Verwandten auf Twitter sein Mitgefühl aus und dankte den Einsatzkräften für ihren unermüdlichen Einsatz. Das ganze Land würde „eine unendliche Traurigkeit“ empfinden, schrieb er. „Wir haben jeden Schritt näher zu ihm verfolgt,“ schrieb Sanchez weiter. Und: „Wir werden immer dankbar sein, für die unermüdlichen Anstrengungen derer, die nach ihm gesucht haben.“
Auch König Felipe VI. sprach der Familie des Buben sein "tiefempfundenes Beileid" aus. Die Stadt Malaga verkündete eine dreitägige Trauer, vor dem Rathaus der Küstenstadt versammelten sich am Samstagvormittag Hunderte zu einer Trauerkundgebung und einer Schweigeminute zu Ehren des Kleinen.
Kein Lebenszeichen seit 13. Jänner
Retter hatten seit dem 13. Jänner versucht, zu dem Kind in dem extrem engen, nur 25 Zentimeter breiten Schacht vorzudringen. Allerdings gab es keine Lebenszeichen von ihm, zudem war unklar, in welcher Tiefe des illegal auf der Suche nach Wasser gegrabenen Loches es sich befand. Dennoch hatten nicht nur die Eltern, die 2017 bereits einen Sohn verloren hatten, auf ein Wunder gehofft. Noch am Donnerstagabend waren Hunderte Anrainer aus dem Ort zu einer Mahnwache zusammengekommen, um für das Kind zu beten.
Experten hatten versichert, dass es nicht ausgeschlossen war, das Kind lebend zu finden. Jedoch waren die Hoffnungen auf ein glückliches Ende des dramatischen Unfalls mit jeder Minute geschrumpft. Besonders bei der Bohrung eines parallelen Schachts war es zu immer neuen Verzögerungen gekommen, weil die Retter auf extrem hartes Gestein stießen. Experten betonten, normalerweise seien für eine solche Aktion, bei der 40.000 Tonnen Erde abgetragen wurden, Monate nötig. Einen vergleichbaren Notfall in einer solchen Tiefe habe es weltweit noch nie gegeben, hieß es.
Anteilnahme groß
Wie hart der Schlag nicht nur für die Menschen in der Provinz Malaga, sondern in ganz Spanien war, beweist die Verzweiflung vieler auch im 500 Kilometer entfernten Madrid. "Ich bin aufgeblieben, um die Rettungsaktionen im Fernsehen zu verfolgen. Nachdem die schreckliche Nachricht kam, konnte ich nicht mehr einschlafen", sagte weinend die Bankangestellte Maria in einer Bäckerei der Hauptstadt. Nicht wenige hatten bis zuletzt an das viel beschworene "Wunder von Totalan" geglaubt. Im Malaga-Vorort El Palo, dem Wohnort der Familie, hatten Menschen noch in der Nacht auf Samstag mit weißen und roten Kerzen ein großes Herz geformt. In vielen Kirchen wurde seit Tagen für den Kleinen gebetet, Bürger organisierten Wachen. Doch das Wunder blieb am Ende aus.
Politiker, Persönlichkeiten wie die italienische Sängerin Laura Pausini ("Ich kann es nicht glauben") und Hollywoodstar Antonio Banderas, der sich "erschüttert" zeigte, der spanische Fußballverband und auch sehr viele Menschen im Ausland, die ebenfalls tagelang mitgezittert hatten, versuchten den Eltern Jose und Victoria auf den sozialen Netzwerken Trost zuzusprechen. Ein äußerst schwieriges Unterfangen, denn der arbeitslose Marktverkäufer und die Mitarbeiterin einer Fastfood-Kette hatten 2017 bereits einen Sohn verloren. Julens älterer Bruder Oliver starb bei einem Strandspaziergang mit drei Jahren an Herzversagen.
Arbeiten bis zum Schluss unter schwierigsten Bedingungen
Seit Donnerstagabend hatten erfahrene Bergarbeiter aus der nordspanischen Kohleregion Asturien unter schwierigsten Bedingungen vom Grund des Parallelschachts aus einen vier Meter langen horizontalen Tunnel gegraben, um zu Julen vorzudringen. Sie konnten dabei 36 Stunden lang nur kniend oder liegend in Zweier-Teams arbeiten und kämpften sich mit Spitzhacken und Presslufthämmern durch den Felsen. Mehrmals waren Mikrosprengungen nötig, so noch am späten Freitagabend, als die Spezialisten nur noch wenige Zentimeter von Julen trennten. Zudem war bis zuletzt unklar, ob der Bub tatsächlich in der von den Experten vermuteten Tiefe gefunden werden würde. Das Loch war nach Aussagen der Familie vom Freund einer Cousine des Vaters in Auftrag gegeben worden.
Der Kleine war bei einem Ausflug mit seiner Familie in das Loch gefallen. Bei Kameraaufnahmen war im Schacht ein Sackerl mit Süßigkeiten entdeckt worden, die Julen bei sich hatte, später waren Haare des Buben gefunden worden. Mehr als 300 Retter hatten sich an den Bergungsarbeiten beteiligt.
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