Schiffsunglück: Bergung verzögert sich, Kapitän verhaftet

Schiffsunglück: Bergung verzögert sich, Kapitän verhaftet
21 Menschen werden noch immer vermisst, sind höchstwahrscheinlich tot. Dem Kapitän wird zumindest eine Mitschuld vorgeworfen.

Mindestens sieben Tote, aktuell 21 Vermisste: Das ist die schreckliche Bilanz nach dem Schiffsunglück auf der Donau in Budapest. Am späten Donnerstagabend ist der Kapitän des am Unfall beteiligten Kreuzfahrtschiffs verhaftet worden. Der 64-Jährige ukrainische Kapitän steht unter dem Verdacht, ein Massenunglück mit Todesfolge verursacht zu haben.

Bergung hat noch nicht begonnen

Mit der Bergung des gesunkenen Ausflugsdampfers konnte angesichts des hohen Wasserstands, der starken Strömung und der schlechten Sicht noch nicht begonnen werden. Wegen der im Wrack vermuteten Opfer drängten die Behörden auf eine baldmögliche Bergung.

Am Freitagvormittag besuchte die südkoreanische Außenministerin Kang Kyung Wha gemeinsam mit ihrem ungarischen Amtskollegen Peter Szijjarto die Unglücksstelle. Noch am Freitag sollen zehn Angehörige von Getöteten in Ungarn eintreffen, insgesamt werden 50 Personen erwartet.

Neue Details zum Unfallhergang

Laut Experten dürfte der kleine Ausflugsdampfer nicht - wie bisher betont - vor das größere Hotel-Schiff gefahren sein. Vielmehr soll das Donau-Kreuzfahrtschiff gegen das kleinere Boot gesteuert und damit das Unglück verursacht haben.

Das größere Schiff hätte seine Geschwindigkeit verringern und die Durchfahrt des Ausflugsdampfers unter der Brücke abwarten müssen, zitierte die ungarische Nachrichtenagentur MIT Attila Bencsik, den Vorsitzenden des Verbandes der Ungarischen Binnenschiffer. Unterdessen soll jüngsten Medienberichten zufolge das Kreuzfahrtschiff am Freitagvormittag abgelegt und seine Fahrt fortgesetzt haben.

Weitere Überlebende sehr unwahrscheinlich

Am Mittwochabend war das Ausflugsboot mit Touristen aus Südkorea im Budapester Abschnitt der Donau mit einem viel größeren Kreuzfahrtschiff zusammengestoßen und gekentert. Mindestens sieben Menschen starben, sieben wurden gerettet. Aus Südkorea wird eine Einsatzgruppe zur Unterstützung am Unglücksort erwartet.

Die Aussicht, weitere Überlebende zu finden, galt als gering. Starke Strömungen und schlechte Sichtverhältnisse erschwerten die Arbeit der Einsatzkräfte. Die Polizei berichtete, dass eine Leiche kilometerweit flussabwärts vom Unglücksort gefunden worden sei.

Nach dem Zusammenstoß mit dem Kreuzfahrtschiff versank das Ausflugsboot "Hableany" (Nixe) mit den Südkoreanern an Bord binnen weniger Sekunden. Sieben Passagiere waren bereits unmittelbar nach dem Unglück gerettet worden. Passagiere von Schiffen, die gerade in der Nähe waren, hatten sie spontan aus dem Wasser gezogen. Die Überlebenden wurden mit Unterkühlungen in Krankenhäusern behandelt.

Bergung des Wracks kann noch Wochen dauern

Pioniersoldaten begannen mit der Konstruktion einer Tauchplattform. Speziell ausgebildete Taucher sollen zum Wrack des gesunkenen Schiffs vordringen und dessen Bergung vorbereiten. Der hohe Wasserstand, die starken Strömungen und die schlechten Sichtverhältnisse erschweren ihre Arbeit. "Die Bergung des Wracks kann noch Tage, ja sogar eine Woche dauern", zitierte die staatliche Nachrichtenagentur MTI den Geschäftsführer einer darauf spezialisierten Firma. Auch drei Teams mit insgesamt zehn Einsatztauchern des Einsatzkommandos Cobra wurden auf Bitten der Ungarn vom österreichischen Innenministerium nach Budapest entsandt.

Der verhängnisvolle Zusammenstoß ereignete sich am Mittwoch um 21.05 Uhr, erklärte Oberst Adrian Pal von der ungarischen Polizei am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Budapest. Unter der Margaretenbrücke sei das kleine Ausflugsschiff vor das Kreuzfahrtschiff geraten, es kam zur Kollision. Das kleinere Schiff sei in sieben Sekunden untergegangen, sagte Pal.

Auf dem unter Schweizer Flagge fahrenden Flusskreuzfahrtschiff "Viking Sigyn" wurden weder Gäste noch Besatzungsmitglieder verletzt, wie eine Sprecherin des Unternehmens Viking mitteilte. Pal sagte, die Polizei habe ein Strafverfahren gegen unbekannt wegen Gefährdung mit massenhafter Todesfolge eingeleitet. Der Kapitän der "Viking Sigyn" und weitere Besatzungsmitglieder seien befragt worden.

Der erste Notruf war um 21.15 Uhr, zehn Minuten nach der Kollision, bei der Polizei eingegangen. Unmittelbar darauf begannen große Such- und Rettungseinsätze von Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst. Große Scheinwerfer beleuchteten die Oberfläche der Donau an der Unglücksstelle. Die Suche nach den Vermissten wurde durch heftigen Regen und starke Strömungen erheblich erschwert, wie das Internet-Portal "Index.hu" berichtete. Die Wassertemperatur sank auf zehn Grad ab.

Krisenstab aus Südkorea

Südkoreas Präsident Moon Jae-in ordnete an, einen Krisenstab einzusetzen und zusammen mit den ungarischen Behörden "alle verfügbaren Mittel" zur Rettung der Vermissten zu ergreifen. Das Außenministerium kündigte an, eine "schnelle Einsatzgruppe" mit 18 Beamten und Rettungskräften an den Unglücksort nach Budapest zu schicken.

Der südkoreanische Reiseveranstalter Verygoodtour bat um Entschuldigung. Das Unternehmen werde alles tun, um den Opfern und deren Familien zu helfen, sagte der Leiter des Kundenservice, Lee Sang-moo, im südkoreanischen Fernsehen. Nach Berichten der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap waren die meisten Reisenden 40 bis 50 Jahre alt. Auch ein sechsjähriges Kind sei an Bord gewesen.

Ernst Gelegs (ORF) berichtet aus Budapest

Gefahr der Schifffahrt auf Budapester Donau "bekannt"

Das 27 Meter lange, für 60 Passagiere ausgelegte Unglücksschiff gehört dem Budapester Schifffahrtsunternehmen Panorama Deck. Ein Sprecher der Firma teilte am späten Mittwochabend mit: "Es werden alle Ressourcen mobilisiert, um Menschenleben zu retten."

Die Donau fließt mitten durch Budapest und trennt die beiden Stadthälften Buda und Pest voneinander. Ausflugsfahrten per Schiff sind auf dem Budapester Flussabschnitt bei Touristen sehr beliebt, weil sich dabei schöne Ausblicke auf Sehenswürdigkeiten wie die Burg von Buda und das Parlamentsgebäude bieten.

In den Stunden nach Sonnenuntergang übt die prächtig beleuchtete Architektur eine besondere Anziehung auf Stadtbesucher aus. In letzter Zeit führte dies zu einem erheblichen abendlichen Verkehrsaufkommen auf der Donau. Einige Experten sprachen von einer Katastrophe, die nicht völlig unerwartet kam.

Die kleinen Ausflugsschiffe, die ihre Passagiere für ein paar Stunden auf der Donau spazieren fahren, würden demnach Gefahr laufen, bei Wendemanövern in die Spur der großen Fluss-Cruiser zu geraten, die sich nur schwer manövrieren lassen. "Index.hu" zitierte einen erfahrenen Bootsmann: "In unseren Kreisen wurde schon öfter darüber geredet, dass das eigentlich sehr gefährlich ist, aber dass es eben so weitergehen wird, bis es zu einer Tragödie kommt, wie sie jetzt eingetreten ist."

 

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