Gratis Tauffeier, Babybonus: Wie eine Hotelkette Polens Geburtenrate heben will

„Polen steckt in der schwersten Krise seit 200 Jahren“, titelt das Nachrichtenportal WNP. Die Lage sei „dramatisch“. Gemeint sind damit nicht die mehrfachen Luftraumverletzungen durch russische Drohnen, die Polen zuletzt erlebt hat. Oder die anhaltenden Spannungen an der Grenze zu Belarus. Sondern, dass die Polinnen zu wenige Kinder bekommen.
Die niedrige Geburtenrate sorgt in dem osteuropäischen Land schon seit Jahren für Sorgenfalten. 2023 lag dort die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau laut Eurostat-Daten bei 1,2 – deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 1,38. Nur Litauen, Spanien und Malta verzeichneten noch niedrigere Werte. Zum Vergleich: 1990 lag die Geburtenrate in Polen laut Eurostat noch bei 2,06 Kindern pro Frau. Für eine stabile Bevölkerungszahl wären im Schnitt 2,1 Kinder pro Frau notwendig.
Historisches Tief
Neueste Zahlen zeigen nun: Die Gesamtzahl der Geburten (251.800) sowie die Geburtenrate pro 100.000 Einwohner haben im vergangenen Jahr den niedrigsten Stand seit dem frühen 19. Jahrhundert erreicht, wie polnische Medien berichten. Die Fertilitätsrate fiel 2024 laut nationalem Statistikamt auf 1,099 Kinder pro Frau – der niedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen.
In dieser Situation sorgt ein polnisches Unternehmen nun mit einer ungewöhnlichen Idee für Aufsehen: Die landesweit größte Hotelkette Arche bietet Eltern, die in einer ihrer 23 Häuser ein Kind zeugen, eine kostenlose Tauffeier oder Babyparty für zehn Personen an. Als Nachweis genügt eine Hotelrechnung, die neun Monate vor der Geburt des Kindes ausgestellt wurde. Voraussetzung ist zudem die polnische Staatsbürgerschaft und ein Wohnsitz im Land.
Seit dem Start der Aktion verzeichnet Arche bereits steigende Buchungszahlen, berichtet Geschäftsführer Władysław Grochowski der Financial Times. Auch für die eigenen Beschäftigten setzt das Unternehmen Anreize: Die rund 2.000 Angestellten erhalten bei der Geburt eines Kindes einen „Babybonus“ von 10.000 Zloty, umgerechnet rund 2.170 Euro.
Auch Polens Politik versucht bereits seit Längerem, die Geburtenflaute abzufedern, etwa durch finanzielle Mittel. Die nationalkonservative PiS, die sich gerne als Hüterin traditioneller Familienwerte inszenierte, führte 2016 ein gehaltsunabhängiges Kindergeld von 500 Zloty pro Kind und Monat ein.
Trotz ausbleibendem Geburtenboom wurde es inzwischen auf 800 Zloty (188 Euro) pro Monat erhöht. Die liberal-konservative Regierung unter Premier Donald Tusk startete 2023 zudem ein staatlich finanziertes IVF-Programm: Bis 2028 sollen 2,5 Milliarden Zloty in In-vitro-Fertilisation fließen. Außerdem will die Regierung Eltern den schnellen Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern.
Viele Gründe
Die Ursachen für Polens Geburtenrückgang sind, wie andernorts, vielschichtig. Die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter ist aufgrund jahrzehntelanger niedriger Geburtenraten bereits stark gesunken. Das Durchschnittsalter für Erstgebärende ist deutlich gestiegen, von 22,7 Jahren (1990) auf 29,1 Jahre (2024).
Hinzu kommen ökonomische Faktoren: hohe Lebenshaltungskosten, unsichere Arbeits- und schlechte Wohnverhältnisse. Dazu der Spagat zwischen Job und Familie, den noch immer vor allem Frauen hinlegen müssen. Eine besondere Rolle spielen zudem Polens restriktive Abtreibungsgesetze, die laut Experten ein Klima der Unsicherheit schaffen.
Dazu kommt ein tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel, wie der Demograf Piotr Szukalski von der Universität Łódź zur Gazeta Wyborcza sagt. „Es gibt auch eine sehr große Anzahl von Menschen, für die Kinder zu haben kein Maßstab für Erfolg im Leben ist.“
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