"Überall liegen Leichen": Bereits über 5.200 Tote in Libyen
Bei dem verheerenden Unwetter in Libyen sind nach Angaben eines Sprechers des Innenministeriums einer der beiden Regierungen in dem Bürgerkriegsland rund 5.200 Menschen gestorben. Dies sagte der Sprecher der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Unabhängig ließen sich die Zahlen zunächst nicht bestätigen. Während Retter und Angehörige nach Überlebenden suchen, gelten laut Rotem Kreuz rund 10.000 Menschen als vermisst.
Allein in der Hafenstadt Darna starben nach Angaben der Rettungskräfte mehr als 2.300 Menschen. Etwa 7.000 weitere Menschen seien verletzt worden, teilte am Dienstag ein Sprecher der libyschen Not- und Rettungsdienste mit.
➤ 15 Tote nach Überschwemmungen in Griechenland: Österreicher weiter vermisst
Darna: Zerstörte Häuser und Autos in Schlammmassen
Sturm "Daniel", der schon in Griechenland schwere Zerstörungen hinterlassen hatte, erfasste das nordafrikanische Land mit rund sieben Millionen Einwohnern am Sonntag. Besonders schwer betroffen ist die Hafenstadt Darna. Videos und Fotos in sozialen Medien zeigten ein katastrophales Ausmaß: zerstörte Häuser und Autos in von Schlammmassen überschwemmten Straßen.
Laut Augenzeugenberichten ließen die starken Winde Strommasten umstürzen. Mitten in der Nacht brach dann mit einem lauten Knall ein Staudamm unweit der Küstenstadt. Schließlich gab auch ein zweiter Damm den Wassermassen nach, die vom Tal Richtung Darna donnerten. Sehenswürdigkeiten, Häuser und Menschen sollen so ins Meer gespült worden sein.
Mehr als 300 Opfer wurden nahe Darna in Massengräbern beerdigt
"Die Lage ist sehr katastrophal. Überall liegen Leichen - im Meer, in den Tälern, unter den Gebäuden", sagte Luftfahrtminister der im Osten herrschenden Regierung, Hichem Chkiuat. Er rechne damit, dass die endgültige Zahl der Opfer "sehr, sehr hoch" sein werde. "Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass 25 Prozent der Stadt verschwunden sind." Viele Gebäude seien eingestürzt.
Mehr als 300 Opfer wurden nahe Darna in Massengräbern beerdigt. "Erst wurden diejenigen begraben, deren Identität festgestellt wurde", sagte ein Augenzeuge. "Wegen des Stromausfalls und fehlender Plätze für die Leichen wurden die anderen Toten fotografiert und dann begraben, um sie später identifizieren zu können". Unter den Opfern sollen sich ganze Familien befinden, die zusammen beerdigt wurden.
Schwerste Regenfälle seit mehr als 40 Jahren
Osama Ali, ein Sprecher der örtlichen Notdienste, berichtete von den schwierigen Bemühungen der Retter. "Es gibt noch eine Straße, die in die Stadt führt, aber die Durchfahrt ist schwierig und gefährlich, da ein Teil der Straße zerstört ist und ein weiterer Einsturz aufgrund der riesigen Wassermengen erwartet wird." Darna liegt 900 Kilometer östlich der libyschen Hauptstadt Tripolis und zählt 100.000 Einwohner. Neben Darna waren auch andere Städte wie Al-Baida, Al-Mardsch, Susa und Schahat betroffen. Der Bürgermeister in Schahat sprach von rund 20.000 Quadratkilometern überfluteter Gebiete.
Die betroffenen Regionen wurden zu "Katastrophengebieten" erklärt. Die Regierung in der Hauptstadt Tripolis unter Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba sprach von den schwersten Regenfällen seit mehr als 40 Jahren. Am Montag wurde dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Die Katastrophe schien das Bürgerkriegsland zunächst zusammenzuschweißen, wie Helfer berichteten.
➤ Spanien: Zwei Tote und Ausgehverbot für 10.000 Menschen wegen Unwetter
Bürgerkrieg ist immer noch im Gange
Derzeit kämpfen zwei verfeindete Regierungen - eine mit Sitz im Osten, die andere mit Sitz im Westen - um die Macht. Alle diplomatischen Bemühungen, den bis heute andauernden Bürgerkrieg friedlich beizulegen, scheiterten bisher. Der Konflikt wird durch ausländische Staaten zusätzlich befeuert. Die staatliche Ordnung ist in dem Land weitgehend zerfallen, zahlreiche Konfliktparteien ringen um Einfluss, nachdem Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 gewaltsam gestürzt worden war.
Unterdessen haben immer mehr Länder ihre Hilfe angeboten. Die Türkei organisierte inzwischen die Entsendung von Rettungskräften. Man habe Flüge mit Bergungstrupps samt Rettungsbooten, Zelten und Versorgungsgütern an Bord organisiert, teilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf der Onlineplattform X (vormals Twitter) mit. Auch das Nachbarland Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Europäische Union sicherten Unterstützung zu.
Kommentare