Strahlender Sonnenschein begrüßte mich am Sonntag, der Montag und Dienstag wie auch der Rest der Woche waren mit Meetings verplant, das letzte fand Dienstagmittag statt. Auf der Rückfahrt zum Haus von Freunden, bei denen ich wohne, wenn ich in L.A. bin, kam die Nachricht von Bränden in den Pacific Palisades über den Äther.
Brände im Januar?
Als jahrelanger Los Angeleno zuckt man da nur kurz mit den Schultern – Brände sind hier leider Teil des Alltags geworden, sie finden mit gewohnter Regelmäßigkeit mehrmals pro Jahr statt. Nur die Jahreszeit schien uns allen sofort bedenklich. Januar? Nicht der Monat dafür. Die meisten Waldbrände finden historisch zwischen August und November statt, nach langen, trockenen Sommern. Wie wir jetzt wissen, gab es aber auch im Herbst und Winter in Los Angeles innerhalb der letzten drei Monate nur 0.02 Prozent Regenfall.
Am Dienstag um 14 Uhr hätte ich mich mit Billy Bob Thornton treffen sollen. Um 13:30 Uhr schickte er ein SMS, in dem er schrieb, dass er mit seiner Familie gegen Norden fahren müsse, da sie sonst vermutlich nicht mehr rauskommen würden. Sein Haus ist/war in den Pacific Palisades. Den Nachmittag über verbrachte ich am Telefon mit all den vielen Freunden, die in verschiedenen Ecken dieser Stadt leben. Besonders jene, die in Malibu wohnen und in den letzten 30 Jahren unzählige Feuer überlebt, oft ihre Häuser danach wieder aufbauen mussten, ahnten die Gefahr und evakuierten, bevor sie von Polizei und Feuerwehr dazu gezwungen wurden.
Im Laufe des Nachmittags wurden die Windböen immer stärker, sie rissen Stromleitungen um, die das Feuer im trockenen Gestrüpp entzündeten. Die brennenden Glutstücke flogen und sprangen dann in andere Bereiche, oft über breite Straßen und sogar Freeways. Selbst noch gute 30 Kilometer entfernt, in Encino, der Gegend am Fuße der Hollywood Hills auf der San Fernando Valley-Seite, beschloss ich mein Abendessen mit einem guten Freund und Kollegen aus Frankreich nicht abzusagen und fuhr zum Restaurant in Toluca Lake. Der Strom an der Kreuzung fiel aus, kam jedoch wenige Sekunden später wieder zurück. Als ich aus dem Auto stieg, riss mich der Wind fast um. Eineinhalb Stunden später bekam er den nicht unerwarteten Anruf: als Nachrichtenreporter für Canal+ musste er einen Live-Einstieg machen, denn inzwischen war auch 10km in die andere Richtung, südlich von Pasadena, einem der ältesten Stadtteile ein Feuer ausgebrochen, das nun als Eaton Fire auf der ganzen Welt bekannt ist. Mein Kollege verbrachte die Nacht und auch die nächste keine 15 Meter vor den Flammen.
Der persönliche Verlust
Am Mittwoch gab es immer mehr Evakuierungen von Santa Monica bis Burbank, um 18 Uhr brach dann das Hollywood-Feuer aus, Häuser im Laurel Canyon, die auf Stelzen gebaut sind, explodierten in den Nachthimmel, das berühmte Hollywood Sign war in Gefahr, ist jedoch zum aktuellen Zeitpunkt noch intakt.
Die News-Outlets hier, und vermutlich weltweit, ergehen sich in langen Berichten über all die Reichen und Berühmten, die in den letzten 48 Stunden ihre Wohnsitze verloren. Das macht Schlagzeilen. Wenn Billy Crystal, James Woods, Mandy Moore, Anthony Hopkins und Co. heimatlos werden, ist das natürlich traurig, aber die mangelnde Perspektive lässt viele von uns erstaunt zurück: Multimillionäre können sich einen Wiederaufbau leisten, haben ohnehin mehrere Wohnsitze. Ganz normale Menschen sehen keine Zukunft für sich und ihre Familien. Insbesondere, weil mehrere Versicherungsfirmen sich bereits weigern zu zahlen und viele Polizzen gestern via sms kündigten. Ja, das ist Amerika. Nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern vom Bürger zum Obdachlosen innerhalb eines Augenblicks.
Die wahre Tragödie liegt wie immer im persönlichen Verlust. Ich habe in meiner langen Zeit in L.A. in Studio City, Pacific Palisades, Santa Monica und Venice Beach gelebt. Alle haben für mich und meine Lieben Erinnerungen. Vor allem die Jahre 1992-2001 in den Pacific Palisades. 1992 wurden wir von dort evakuiert, als ein Brand im benachbarten Malibu zur Bedrohung wurde. Zum Glück passierte nichts. Das Palisades Village war meine Community, wir spazierten fast täglich für eine Kaffee hin, wanderten im Temescal Canyon zum -meist ausgetrockneten - Wasserfall, gingen Rollerblading am Temescal Beach und fuhren keine 10 Minuten den Sunset Boulevard zum Sonnenuntergang und Abendessen ans Meer hinunter, ins legendäre Gladstones oder in den Reel Inn, einem simplen, aber exzellenten Fischrestaurant mit Sägespäne am Boden, Fischernetzen am Plafond und groben Holztischen.
Diese Orte symbolisierten Heimat, gemeinsame Geschichte, Emotionen. Kein einziger existiert mehr. Sie alle fielen innerhalb von 12 Stunden den Flammen zum Opfer. Die wunderbaren Erinnerungen bleiben im Kopf und im Herzen, sie durch einen Besuch aufzufrischen ist nicht mehr möglich.
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